Himbeersommer (German Edition)
so alt und so biestig wie sie.
„Nein“, Daniel klingt so aufgewühlt, als habe er gerade einen Schatz gefunden. Aber offensichtlich will er nicht verraten, unter welcher Palme er liegt. „Wo können wir uns sehen?“
Ich überlege, und es fällt mir nichts ein. Mein Hirn ist in rosa Zuckerwatte gepackt. Meine Synapsen verklebt.
„Also gut. Du gibst eh nicht auf.“
„Das hoffst du“, entgegnet er lächelnd.
„Wie wäre es heute Abend?“ Ich höre mich reden und fühle mich schlecht.
Was tue ich da? Heiligt der Zweck wirklich jedes Mittel? Die Gefahr, mich unsterblich in Daniel zu verlieben, nur um ein Kind mit Tobias zu bekommen, ist so groß wie … wie mein Hintern auf dem unsäglichen Foto, das meine Mutter immer noch an ihren Kühlschrank hängen hat. Wir waren damals auf einem Ponyhof, ich war 17 und ich bin gerade auf ein Pony gestiegen, das kleiner war als ich. Meine Mutter steht neben mir. Sie selbst sieht in ihrem lila Flatterkleid umwerfend aus. Ich hingegen wie eine Mischung aus Walross und Storch.
Was ziehe ich an? Meine jugendlichen Outfits habe ich bereits durch und keine Lust mehr, mich zu verkleiden. Das Beste ist, ich sage ab.
***
Es kommt, wie es kommen muss.
Daniel hat einen Rucksack dabei. Gefüllt mit den leckersten, selbst gemachten Köstlichkeiten dieser Zwischenwelt.
Ich sterbe für eine gute Quiche, und ich habe immer geahnt: Nora, das wird dir einmal zum Verhängnis.
Ich flüchte in ein kleines Café und erleichtere wenigstens meine Blase. Meinem Gewissen hilft das nichts. Aber immerhin spüre ich eine angenehme Leere in mir.
„Ich habe etwas Wichtiges vergessen. Ich muss noch mal schnell in den Supermarkt“, Daniel geht bereits los. Und ich folge ihm, wie in Trance.
Wir betreten den Supermarkt, als wäre er ein paralleles Universum. Daniel steuert auf das Gewürzregal zu und findet, was er sucht. Zimt. Eine Stange natürlich, nicht gemahlen.
„Wir hatten keinen mehr im Bistro, und an meinem Nachtisch fehlt ein petit petit davon.“
Wir lächeln uns an, unsere Hände berühren sich eine Millisekunde, als er mir den Zimt unter die Nase hält.
Ich sauge den Duft ein, schließe die Augen. Obwohl ich mich mit aller Kraft dagegen sträube, schafft es Daniel, mich zum Strahlen zu bringen. Die Pudel-Frisur-Kassiererin grinst mich an.
„Hach, frisch verliebt is eenfach chici.“ Mir wird abwechselnd heiß und kalt und ich glaube, ich werde zum ersten Mal nach vielen Jahren rot wie eine Chili.
Was redet diese Frau da, es stimmt einfach nicht. Es ist hot, aber mehr nicht!
.
Daniel hat alles mitbekommen – und gibt er mir demonstrativ einen Kuss. In den Nacken, was mich schmelzen lässt.
Denn wenn ich eine besonders erogene Zone habe, dann ist es dieser Bereich. Angefangen zwischen meinen Schultern, bis hoch zu meinem Haaransatz. Und Daniel scheint das intuitiv zu ahnen.
Der Pudel-Frisur bleibt der Mund offen stehen.
„Respekt, mein neuer Lover is nich so knackig“, flüstert sie mir grinsend zu.
Ich muss unwillkürlich schmunzeln. Und mein Selbstbewusstsein steigt, auf einer Skala 1 bis 10, fast auf die 9. Was soll`s, was die Leute denken, ich will nur ein Kind von ihm, mehr nicht.
„Der Trend geht zum jüngeren Mann.“ Das hat mir Jacky noch vor ein paar Wochen aus der Gala vorgelesen. Madonna, Carolin Beil … es gibt immer mehr gut aussehende, erfolgreiche Frauen, die einfach keinen Beschützer mehr brauchen. In Amerika gibt es dafür eine Bezeichnung: Cougar. Bedeutet Puma. Die Parallele liegt zum einen im silbrigen Fell des Pumas (Silberlöwe) und zum andern in der Jagd (auf jüngere Männer). Demi Moore und Ashton Kutcher (immerhin hat diese Beziehung unfassbar lange gehalten), Madonna und Jesus Luz, Nena und ihr Philipp. Es gab schon einige, nicht gleichaltrige Paare, deren Liebe sehr lange gehalten hat. Ich befände mich also in bester Gesellschaft, wenn ich ihn denn wollen würde. Diesen jüngeren Mann. Ich will ihn aber nicht.
Trotzdem folge ich ihm in die die S-Bahn, vom Hackeschen Markt nach Wannsee. Ich verstehe mich nicht. Die Fahrt wird zur Zeitreise. In eine ferne, unbekannte Welt. Wir sitzen uns gegenüber und ich sehe ihn nicht an, erhasche nur ab und zu einen Blick.
Berlin rauscht an mir vorbei und ich versuche, meine Gedanken auf das Baby zu lenken.
Tobias wird ein großartiger Vater sein, daran zweifle ich nicht. Aber ich zweifle an meinem Verstand. Was mache ich hier?
Daniel sieht mich an, als wäre ich zart und zerbrechlich. Und er sagt nichts, und
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