Himbeersommer (German Edition)
Stunden unseres Lebens mit dem Warten auf den Anruf irgendeines Kerls? Und während wir warten, schauen Männer Autorennen, machen sich eine Fertigpizza heiß, schneiden sich vor dem Fernseher die Fußnägel und lassen sie da liegen, oder checken den Goldpreis. Sie vergeuden keine Millisekunde damit, uns warten zu lassen. Wieso warten wir? Wieso schaffen wir es nicht, uns solange ein gutes Buch zur Hand zu nehmen, konzentriert das Auslandsjournal zu schauen, ohne währenddessen mindestens alle drei Minuten unser Handy zu hypnotisieren.
Mein Handy klingelt! Ich angle danach und um ein Haar wäre es in der Wanne untergegangen - mit mir.
Am anderen Ende ist Jacky. Ich mache ihr blitzschnell klar, dass die Handyleitung frei sein muss. Ich rufe sie auf Festnetz zurück.
Von meinem konfusen Bericht über den Tag mit Daniel ist sie so begeistert wie über den neuesten Sabber-Milchfleck auf ihrer ein Monate alten Mango-Bluse, einem Internet-Schnäppchen.
„War ja klar. Du bist verknallt!“ Sie klingt zutiefst frustriert.
„Spinnst du? Natürlich nicht, ich hab ja nicht mit ihm geschlafen“, entgegne ich verwirrt, „und das werde ich auch nicht tun.“ Um mir im gleichen Moment da nicht mehr ganz so sicher zu sein.
„Vergiss es. Das macht der nie mit“, sagt sie und beißt in einen Apfel. „Der ist viel zu knackig. Der verbaut sich doch nicht seine Zukunft mit einem Blag.“
Gregor fängt wieder an zu schreien. Und es schmerzt mir zum ersten Mal sehr im Ohr.
„Aber wenn wir nicht bald ein Kind kriegen, dann war’s das … mit uns,“ sage ich leise, und der Schaum unter meinem Kinn zittert so sanft wie ein gerade geschlüpftes Küken.
Das Wasser ist kalt. Ich habe keine Lust mehr zu baden, geschweige denn zu warten.
„Lass uns morgen weiterreden, ich erfriere“, unterbreche ich Jacky, die gerade mit einer Schimpftirade loslegen will. Denn Baby Gregor hat „eingekackert“, wie Jacky gerade flucht. Warum eigentlich nehmen alle Mütter diese Kita-Sprache an? Und das selbst im Umgang mit kinderlosen, gewählt sprechenden Freundinnen? Werde ich je Mutter sein?
Endlich. Eine SMS von Daniel!
***
Die Himbeeren sind so langsam verblüht.
Tobias und ich sitzen beim Frühstück und ich erzähle vom Stand der Dinge. Währenddessen malträtiere ich umständlich mein Ei. Ein Ei zu köpfen ist eine ernste Angelegenheit.
Natürlich erzähle ich nicht von Daniel, sondern vom Stand meines Bauprojektes. Aber Tobias hört nicht zu.
Spielt er in Gedanken die Wandfarbe unseres Kinderzimmers durch?
„Weißt du eigentlich, wo die nächste Winter-Olympiade stattfindet?“, fragt er mich aus heiterem Himmel.
„Ich habe dir gerade von meiner Arbeit erzählt und du denkst an Skispringen?“, sehe ich ihn fassungslos an.
„Oh Gott, tut mir leid, ich bin irgendwie völlig neben mir. Sag bitte noch mal. Was war mit Magda und Ines?“
„Sie ziehen heute ein“, wiederhole ich gnädig. „Und sie haben mich gefragt, ob ich ein gutes Catering weiß. Für ihre Einzugsparty.“
Im gleichen Moment ärgere ich mich, das Thema Catering erwähnt zu haben und schiebe mir glibbriges Eiweiß hinein.
„Und? Weißt du eins?“, will Tobias bemüht interessiert wissen.
Dass ich ein charmantes Bistro kenne und einen noch charmanteren Bistrobesitzer, der ganz hervorragende Caterings ausrichten kann, sage ich ihm nicht.
Ich schüttle den Kopf und ekle mich vor mir und dem Ei.
„Was macht eigentlich die Spendersuche?“, will Tobias lächelnd wissen. „Seit wir uns entschieden haben, kann ich es nicht mehr erwarten.“
Und genau in diesem Moment fällt es mir auf. Das Blau des Eierbechers, den mir Tobias zu meinem 39. Geburtstag geschenkt hat, ist identisch mit dem Blau aus Daniels „Bistro bleu“!
Endlich steht Tobias auf, er muss los in die Kanzlei und ich auf die Baustelle.
Das Meeting mit unserem Polier zieht sich wie zäher Kaugummi, der zu lange in der Sonne lag.
Hektisch bringe ich es hinter mich, habe keine Zeit mehr zu duschen und eile in der Mittagspause, leicht verstaubt, zu unserem Treffpunkt.
„12 Uhr bei den Enten?“ Hat er geschrieben. Und ich habe endlose zehn Minuten verstreichen lassen, um mich rar zu machen, und ihm dann erst geantwortet!
***
Von schlechtem Gewissen getrieben, eile ich auf die Enten-mama zu, um festzustellen, dass Daniel wieder mal noch später dran ist als ich. So unterhalte ich mich mit der Ente - von Frau zu Frau.
Erst als Daniel amüsiert neben mir steht, merke ich, was ich da tue. Zum
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