Himbeersommer (German Edition)
während ich mit der Nadel malträtiert werde. Im Gegensatz zu dem riesigen Schnitt mit der Hähnchenschere, spüre ich die winzige Nadel Stich für Stich.
„Ich will eine Betäubung“, jammere ich los, doch der Assi schüttelt nur cool den Kopf.
„Die bringt fast nichts. Das geht ganz fix, und dann ist alles vorbei.“ Während er auf meine Scheide starrt und sich da unten verkünstelt, füttert mich Magda mit Schweinebraten.
„Tobias, ich will wirklich sofort nach Hause!“
Tobias nimmt meine Hand und nickt. „Bist du dir sicher? Ambulant nach Hause? Wir haben doch gar keine Erfahrung mit so einem kleinen Wurm.“
„Hier halte ich es keine Sekunde länger aus.“ Ich schniefe.
Da meldet sich der Assi zu Wort und sieht dabei Tobias grinsend an. „Soll ich es lieber etwas enger nähen als vorher?“
Magda und ich sehen uns fassungslos an, und Tobias würde am liebsten vor Scham aus dem Fenster springen. Er zuckt nur hilflos die Schultern, und der Assi näht, und mein Handy vibriert.
***
Der Audi fährt rasant vor unserem Reihenhaus in der Himbeersiedlung vor und hält direkt vor der Tür. Tobias sieht mich an und überlegt.
„Du kannst mit Lisa im Maxi-Cosi ja schon mal reingehen, ich will noch schnell zur Tankstelle, ich brauch jetzt ein Bier. Die Krombacher-Kiste ist alle, hab ich leider erst gestern gemerkt.“
Ich sehe ihn an und zweifle an meinem Verstand. „Hallo, ich bin ein unten aufgeschnittenes, blutendes Huhn, das vor einer halben Stunde ein Monsterei herausgepresst hat?!“
Tobias, der offensichtlich völlig durch den Wind ist, tut sein Fauxpas natürlich sofort leid. „Oh Gott, ja, sorry, Nora, ich bin ja auch wirklich ein Riesenidiot.“
„Schon gut. Aber ein lieber.“ Ich bin ihm so dankbar, dass er in dieser meiner schwersten Stunde meines Lebens bei mir war.
Tobias hilft mir schnell aus dem Auto, stützt mich und nimmt mit der anderen Hand den Kindersitz, in dem Lisa friedlich schläft. Wir sehen sie an, das Mondlicht scheint und Sterne glitzern am Himmel. Tobias gibt mir einen liebevollen Kuss - und ich bin sehr sehr glücklich.
Die Nacht wird der reinste Alptraum. Lisa schreit und schreit, und wir, die wir keine Ahnung von Babys haben, weil wir 39 Jahre keine hatten und uns 37 Jahre nicht dafür interessiert haben, kriegen sie nicht zur Ruhe. Ich schlafe völlig erschöpft neben dem schreienden Kind ein und bin mir sicher, dass mich Tobias am nächsten Tag verlassen wird. Wieso sollte sich ein Mann das antun, noch dazu, wenn es nicht mal sein eigener Schreihals ist.
Am nächsten Morgen kommt endlich meine Hebamme Katja, die mich schon vor der Geburt betreut hat. Katja ist eine 30-jährige Alleinerziehende, die von Männern die Nase mindestens so voll hat wie Jacky. Ihrer hat sie geschlagen, und sie hat das vier Jahre mitgemacht! Eine Tatsache, die ich nie verstehen werde, und eigentlich hätte ich deshalb lieber eine andere Hebamme, aber ich will Katja nicht auch noch weh tun.
Das Stillen klappt immer noch nicht, und Katja hat viel zu tun, mich zu beruhigen. „Das wird schon. Das hat noch bei allen Frauen geklappt.“ Sehr beruhigend.
Alarmiert rufe ich Magda an, und sie kommt sofort vorbei.
„Wann soll ich Daniel von der Geburt berichten?“, bricht es aus mir leise heraus, während sich Katja vor der Schlafzimmertür mit Tobias über die perfekten Windeln unterhält. Pampers Baby Dry, oder doch besser Moltex Öko …?
„Auf keinen Fall jetzt. Du musst erstmal zu dir kommen. Der errechnete Geburtstermin ist doch eh erst in einer Woche“, zischt mir Magda zu.
„Ich kann es ihm doch nicht eine Woche nicht sagen?!“ Ich sehe sie hilflos an, wie ein Hundewelpe seine Mama.
„Was sagt Jacky denn dazu?“
Jacky! Oh mein Gott, ja. Ich habe meiner besten Freundin noch gar nicht gesagt, dass ich Mutter bin. Mutter! Ich bin Mutter! „Sie weiß noch nichts. Aber sie ist ja eh komplett Anti-Daniel.“
„Dann ruf doch erst mal sie an und Daniel in einer Woche.“ Magda sieht mich ernst an. „Du bist jetzt im Wochenbett und musst dich erholen und ganz auf dein Kind und das Stillen konzentrieren. Eine Freundin von mir hat sich viel zu früh zu viel zugemutet und war dann noch mal im Krankenhaus.“
Erneut bei diesem Chauvi Meyer-Geulen oder dem zungengepiercten Assi mit seinen anzüglichen Bemerkungen, das halte ich nicht aus. Darum nicke ich und lasse Magda entscheiden. Daniel soll von der Geburt seiner Tochter vorerst noch nichts wissen. Ich bekomme eine Schonfrist und fühle
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