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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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blutigen Lippen. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie Man’El, der auf der anderen Seite der Motorhaube stand und dessen Miene plötzlich einen verletzten Eindruck machte.
    „Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mich gerettet hast“, sagte sie zu ihm. „Aber lass uns bitte allein.“
    Sein Blick wurde nun noch schmerzvoller, aber anstatt zu gehen, machte er noch einen Schritt auf die Motorhaube zu und beugte sich zu Sergej herab.
    „Beiß die Zähne zusammen, Mensch“, sagte er zu ihm. „Das wird jetzt sehr, sehr wehtun.“
    „Was hast du vor?“, schrie Anya ihn an und wollte sich ihm in den Weg stellen.
    „Hab Vertrauen“, sagte er und drückte sie mit einer Kraft, der sie nichts entgegenzusetzen hatte, zur Seite. Dann packte er den Speerschaft und legte die andere Hand auf Sergejs Brustkorb.
    „Bei drei“, sagte er zu Sergej, und der nickte stoisch. „Eins“, begann Man’El zu zählen ... und riss im nächsten Moment mit einem gewaltigen Ruck den Speer heraus.
    Sergej schrie auf vor Schmerzen, und Anya stürzte sich wieder auf Man’El.
    „Was hast du getan?“, schrie sie panisch. „Jetzt wird er umso schneller verbluten.“
    „Ich sagte, hab Vertrauen“, wiederholte Man’El und stieß sie erneut zur Seite. Dann legte er beide Hände auf Sergejs Wunde, schloss die Augen und begann etwas in einer uralt klingenden Sprache zu murmeln.
    „ Ús hamptu,
    Silig ús.
    E-a Til Nam-ti,
    Tum Nam-ús!“
    Er wiederholte die Formel zweimal, und plötzlich begannen seine Hände zu leuchten ... und das Leuchten ging auf die Wunde über ... und Sergej schrie wieder auf ... aber als Anya wieder hinzuspringen wollte, sah sie, dass die Wunde angefangen hatte, sich zu schließen.
    „ Nin-dim-dim-ma,
    Dim Amu,
    Lil su,
    Ul na dun!“
    Sogar die Schwellungen im Gesicht, die er im Faustkampf gegen Bezal’El davongetragen hatte, verschwanden.
    Anya sah, wie Man’El unter der Anstrengung zu zittern begann, und trat zu ihm, um ihn zu stützen. Dann hörten seine Hände auf zu glühen, und er sank erschöpft in die Knie.
    „Es ist vollbracht“, sagte er leise, und Anya wandte den Blick wieder zu Sergej, der sich mit überraschtem Blick von der Motorhaube erhob und so, als ob er nicht glauben konnte, was gerade geschehen war, durch das Loch in seinem Hemd hindurch nach einer Wunde suchte, die nicht mehr existierte.
    „Wie zur Hölle hat er das gemacht?“, fragte er Anya, die daraufhin nur mit den Achseln zucken konnte. „Und, wer ist er überhaupt?“
    „Mein Name ist Man’El“, sagte er und erhob sich wieder. „Ich bin Ani’Els Gefährte.“ Er deutete auf Anya.
    „Ihr Gefährte?“, fragte Anya - immer noch fest davon überzeugt, dass er, genau wie die anderen, jemanden anders meinen musste.
    „Ja“, sagte er und schaute sie sanft an. „Ich bin dein Mann!“

9. KAPITEL
    Geständnisse
    Bin ich verrückt?
    Das hatte Anya sich schon oft gefragt. Ganz besonders oft in den vergangenen Tagen, in denen all diese merkwürdigen und schrecklichen Dinge geschehen waren. Aber in den letzten Minuten fragte sie sich nichts anderes. Dachte nichts anderes. Die Welt um sie herum - die Klosterruine, der zertrümmerte Wagen, die Leichen im Wald und in der Kapelle -, alles war plötzlich so weit weg, dass sie nichts mehr davon mit den Augen wahrnahm, allerhöchstens durch einen matten Schleier hindurch. Sie hatte gerade den einzigen Menschen verloren, der ihr jemals etwas bedeutet hatte - und ein anderer hatte ihn ihr zurückgebracht. Auf eine Weise, die sie so wenig verstehen konnte, wie sie sie glauben wollte. Und dieser andere behauptete jetzt, ihr Gefährte zu sein ... ihr Mann. Auch das wollte sie nicht glauben ... konnte sie nicht glauben. Und das nicht nur, weil er Flügel hatte und einen riesigen silbernen Hammer, mit dem er gerade einen anderen Geflügelten erschlagen hatte.
    Ich träume schon wieder, sagte sie sich. Das ist es. Ein völlig irrsinniger Traum. Und gleich werde ich schweißgebadet und schreiend in Sergejs Armen aufwachen.
    Doch Anya wachte nicht auf. Denn anders als sie glaubte, schlief sie nicht. Ein Teil von ihr wusste das, aber der Rest weigerte sich, das zu akzeptieren.
    „Anya?“ Eine Stimme, die durch den wattigen Nebel hindurchklang, den sie zum Schutz um sich und ihren Verstand gelegt hatte. Es war Sergejs Stimme.
    „Anya, ist alles in Ordnung?“
    Sie wandte ihm das Gesicht zu, und es fühlte sich an, als würde sie Ewigkeiten dazu brauchen.
    „Was?“
    „Ob alles in Ordnung

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