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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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sie betrachtete es als Fluch, das einzige Wesen zu sein, das dazu in der Lage war, den Kerker des gewaltigsten Ungeheuers aller Zeiten zu öffnen. Das machte sie zum Ziel all jener, die diese Welt gern ins Chaos stürzen würden. Und da Axel geschworen hatte, sie zu beschützen, musste er jetzt, so bald, nachdem er endlich hätte frei sein können, doppelt aufmerksam und wachsam sein; denn jetzt ging es nicht mehr bloß um sein Schicksal, sondern um das Maggies - und das der ganzen Menschheit.
    War es nicht schrecklich egoistisch von ihr, unsterblich werden zu wollen? Wäre es nicht besser für alle, sie würde den Fluch nach einem kurzen Leben als Sterbliche für immer und unwiderruflich mit ins Grab nehmen? Hatte sie nicht sogar die moralische Verpflichtung, sterblich zu bleiben und den Weg alles Irdischen zu gehen?
    Aber war die Chance darauf, ihr die Unsterblichkeit zu verweigern, nicht dasselbe wie sie dazu aufzufordern, gleich Selbstmord zu begehen? Sollte sie sich opfern, nur damit eine einzige der vielen Gefahren, die der Menschheit drohten, ausgemerzt war? Und selbst wenn sie nicht das Schicksal der Menschheit in Betracht zog, schuldete sie es nicht Axel, ihre gefährliche Existenz zu beenden?
    Sie hatte sich diese Fragen schon oft gestellt, und die Antwort darauf war immer wieder dieselbe; Axel hatte sie ihr einmal gegeben, als sie sich ihm anvertraut hatte: Ihr Tod wäre für ihn weit schlimmer als alle Wachsamkeit und Kraft, die er aufbringen müsste, um sie zu beschützen. Er liebte sie so, wie er nie zuvor jemanden geliebt hatte, und ohne sie wollte er nicht sein. Das Ende ihres Lebens war für ihn nicht akzeptabel. Das Natürliche nicht, und erst recht nicht ein möglicherweise selbst Herbeigeführtes. Letzteres würde er ihr niemals verzeihen und ewig darunter leiden, und ihr Opfer würde damit nicht nur vergeblich sein, sondern gerade den gegenteiligen Zweck erfüllen.
    Also lag die Entscheidung nicht bei ihr, sondern bei ihm - und er hatte sie nicht nur gefällt, er trug sie mit großer Bereitschaft und sogar einem nicht gerade geringen Maß an Stolz.
    „Da vorn muss es sein“, sagte er, als sie jetzt die sich schlangengleich unter ihnen ausbreitende Wasserfläche des Tonle Sap erreichten, und deutete nach Südosten.
    Der Tonle Sap war ein in der Regenzeit zu einem gewaltigen See angeschwollener Fluss - so breit, dass Axel es für sicher genug hielt, an Höhe zu verlieren und in einiger Entfernung zum dicht bewaldeten Ufer über die spiegelnde Wasseroberfläche hinwegzufliegen.
    Maggie sah Krokodile behäbig durch die Fluten treiben, mit ihren breiten, geschuppten Rücken Sonne tankend. Von der Sicherheit auf Axels Rücken aus betrachtet, sahen sie völlig harmlos aus, auf ihre eigene Art und Weise wunderschön. Und der Gedanke daran, dass, obwohl ihre Art so viele Millionen Jahre alt war, Axel noch älter war, erfüllte sie mit nur noch mehr liebevollem Respekt vor dem Mann, der bereit war, seine Freiheit gegen ein Leben mit ihr zu tauschen, um für sie da zu sein und ihr in den Jahrhunderten, die kommen würden, diese Welt zu zeigen und sie dabei selbst mit neuen Augen zu sehen.
    Sie fühlte, wie er seinen Flug verlangsamte, und folgte seinem Blick nach links, wo am Ende des Sees sich zwei ebenfalls geflügelte Wesen gerade über das Dach des Dschungels erhoben.
    „Suburi“, sagte Axel.
    „Unser Empfangskomitee, nehme ich an“, schlussfolgerte Maggie. „Kommen sie in friedlicher Absicht?“
    „Ja“, erwiderte Axel. „Einer von ihnen trägt einen Ölzweig in der Schärpe, und sie fliegen bewusst langsam. Halt trotzdem die Augen offen.“
    „Wieso?“, fragte sie.
    „Weil es auch ein Ablenkungsmanöver sein könnte“, erklärte er. „Während wir uns auf sie konzentrieren, greifen andere möglicherweise aus einer anderen Richtung an.“
    Maggie ließ ihren Blick schweifen. Sie drehte sogar mehrfach den Kopf, um hinter sich zu schauen, während Axel den beiden Suburi entgegenflog.
    „Nichts zu sehen“, sagte sie. „Scheint alles in Ordnung zu sein.“
    Erst jetzt merkte sie, dass ihr Herz angefangen hatte, schneller zu schlagen, und sie war sich nicht sicher, ob das von der Wachsamkeit herrührte oder von der freudigen Erwartung, vielleicht endlich am Ziel ihrer Suche nach der Unsterblichkeit zu sein.
    „Sei gegrüßt, Löwe der Himmel“, rief ihnen einer der beiden Wächterengel schon aus der Entfernung entgegen. Er hatte den Kopf eines Leguans und war sehr viel kleiner und

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