Himmel der Suende
schlanker als sein Begleiter, dessen Haupt das eines Ebers war.
„Habt Dank für das Willkommen“, rief Axel zurück. „In wessen Dienst steht ihr?“
„Im Dienste der Elohim Theia und ihres Gemahls“, antwortete der Mungo.
„Theia lebt?“ Maggie hörte die Verwunderung in Axels Stimme.
„Ja“, sagte der Eber - überflüssigerweise. „Und wir sollen euch ausrichten, wie sehr sie sich geehrt fühlt, dass ihr ihre Einladung angenommen habt. Bitte folgt uns zu ihrem Palast.“
Die beiden Suburi machten in der Luft kehrt und flogen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Axel folgte ihnen mit einigem Abstand.
„Hattest du nicht gesagt, Theia sei seit dem Großen Krieg verschwunden?“, fragte Maggie leise.
„Ja“, bestätigte Axel. „Ich dachte, sie sei schon lange tot. Sie war eine der wenigen Elohim, die nicht nur zu uns gehalten, sondern auch an unserer Seite gekämpft haben.“
„Dann hatte sie, anders als ihre Brüder und Schwestern, zu befürchten, dass man sich an ihr rächt“, schloss Maggie daraus. „Was erklären würde, dass sie sich all die Zeit danach im Verborgenen halten musste. Wie du.“
„Wahrscheinlich“, sagte Axel.
Ihre Eskorte bog nach links vom See ab und flog dorthin, wo der Dschungel am dichtesten war. Maggie konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass kein Mensch je seinen Fuß in diese verlassene Ecke gesetzt hatte. Selbst für Boote waren die vielen mit Schwemmwasser gefüllten Arme und Verzweigungen wegen der vielen Stämme und Äste so gut wie unpassierbar. Ein perfektes Versteck, nur über die Luft erreichbar.
Dann sah sie ihn vor sich - den Palast. Es war ein uraltes Gemäuer, über und über mit Pflanzen und Ranken bewachsen, sodass er kaum als Gebäude erkennbar war. Die Zivilisation, die ihn einst errichtet hatte, musste schon vor Jahrtausenden untergegangen sein.
Auf der Terrasse vor dem Eingang stand eine Frau.
Ihre Haltung und Ausstrahlung waren majestätisch. Sie erschien etwa Mitte zwanzig, und ihr glattes weißblondes Haar fiel weit bis zum Ansatz ihrer Oberschenkel herab. Sie trug eine rubinrote weit geschnittene Robe aus feinster Seide, und obwohl sie barfuß war, überragte sie die sechs Suburi, die sie flankierten, um mindestens einen halben Kopf. Das Bemerkenswerteste an ihr waren jedoch ihre Augen. Sie waren von einem solch strahlenden Minzgrün, dass Maggie die Farbe sogar von Weitem erkennen konnte. Die vollen blutroten Lippen waren zu einem fast schon zärtlich erfreuten Lächeln geschwungen.
„Azazel!“, rief sie, und ihre Stimme war reine Musik in Maggies Ohren - klar wie ein Bergquell und dabei so voll wie der Blütenstand einer Orchidee.
Er landete, und Maggie sprang auf die Füße.
„Theia“, sagte er, und Maggie konnte hören, dass seine Stimme vor Rührung brach.
Die beiden fielen einander in die Arme, und die Art und Weise, wie sie einander umklammerten, verriet Maggie, wie tief die Freundschaft zwischen ihnen war. Wie viel sie einander bedeuteten.
„Ich dachte, du wärst tot“, sagte er, als er sich von ihr löste, und Maggie sah, dass seine Augen feucht waren. Trotz ihrer Größe überragte Axel sie noch um einen Kopf.
„Dasselbe dachte ich von dir“, erwiderte sie. Ihre majestätische Haltung war in Axels Nähe plötzlich wie weggeweht. Sie wirkte auf Maggie jetzt viel eher wie seine kleine Schwester. „Und ich bin so froh, dass ich mich geirrt habe.“
Dann wandte sie sich in Maggies Richtung. „Das ist also die berühmte Abgal“, sagte sie und kam auf Maggie zu.
Maggie wurde rot und wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Immerhin war Theia eine der Elohim - die, so weit Maggie sich recht erinnerte, sogar als eine der zwölf Titanen in die Mythologie eingegangen war. Ihr Name bedeutete buchstäblich Göttin. Maggie musste sich zusammenreißen, nicht instinktiv einen Knicks vor ihr zu machen.
Falls Theia ihre Unsicherheit spürte, zeigte sie das nicht. Sie nahm sie einfach in die Arme und drückte sie herzlich.
„Willkommen in meinem Palast“, sagte sie. „Ich habe von eurer Suche gehört, und es wäre mir eine Freude, dich zum Dank für all das, was Azazel für uns und die Unseren getan hat, unsterblich zu machen. Doch zunächst habe ich noch eine Überraschung für dich, mein lieber Löwe.“
Axel schaute sie neugierig an, und Theia machte eine einladende Geste zum Eingang hin. Axel drehte sich herum. Maggie sah, wie ein hochgewachsener Mann aus dem im Dunkeln liegenden Portal heraus nach vorn
Weitere Kostenlose Bücher