Himmel, Polt und Hölle
schuld daran, daß die Männer den Verstand verloren haben. Und
wenn einer schon unschuldig zum Opfer wird...“
„Was dann?“
„Ja, dann will er wenigstens was haben davon.“
Ein
Mann zuviel
Am Abend des folgenden Tages verschwendete Simon
Polt keinen Gedanken daran, ins Wirtshaus zu gehen. Karin Walter hatte sich
angesagt, gegen acht wollte sie kommen.
Im Kühlschrank stand eine hübsch dekorierte kalte
Platte mit Wurst, Schinken und Käse bereit. Czernohorsky hatte gierig seinen
Napf geleert und war zum abendlichen Streunen aufgebrochen.
Schon um sieben wurde Polt von leichter Unruhe erfaßt.
Er schaute verstohlen auf die Uhr und griff dann nach dem Illustrierten Heimatblatt. Daß die Kleintierausstellung in Breitenfeld zu einem
rauschenden Erfolg geworden war, nahm er mit beiläufigem Interesse zur
Kenntnis. Schon eher beflügelte die Ankündigung eines Seminars der Frauengruppe
Burgheim unter dem Titel Bauchtanz
der Elemente seine Fantasie. Recht anregend
war auch die Geschichte aus dem nahen Wieselsberg. Während des alljährlichen
Sommerfestes blieb es diesmal den Besuchern verwehrt, sich im WC der
Volksschule zu erleichtern. Böse Zungen behaupteten, der Grund dafür könne die
rüde Abwahl des Bürgermeisters sein, weil dieser ja mit der
Volksschuldirektorin verheiratet sei. Nicht ganz so subtil verlief eine
Auseinandersetzung beim Heurigenabend der Freiwilligen Feuerwehr. Manfred P,
eifersüchtig auf Peter N., gab seinem Mißbehagen mit den Fäusten Ausdruck. Die
verzagte Gegenwehr seines Nebenbuhlers hatte eine Rißquetschwunde und ein
gebrochenes Nasenbein zur Folge.
Polt faltete die Zeitung zusammen, legte sie weg und
warf wieder einen Blick auf die Uhr. Noch nicht einmal halb acht.
Er trat ans offene Fenster und schaute den Schatten
beim Wachsen zu. Dann ging er ins Bad, betrachtete zweifelnd sein Spiegelbild,
wusch das Gesicht mit kaltem Wasser und beschloß, sich zu rasieren. Inzwischen
war Czernohorsky von seinem Ausflug früher als gewöhnlich zurückgekehrt: Er
wußte von der Existenz der kalten Platte.
Acht Uhr. Betont ruhig nahm Polt auf seinem Lieblingssessel
Platz, entzündete wie jeden Abend eine Kellerkerze und wartete auf ein
Geräusch. Es blieb still.
Karin verspätete sich also ein wenig, na gut. Gegen
neun spürte Polt ein unangenehmes Gefühl im Magen, stand seufzend auf, holte
eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und goß ein kleines Glas voll. So saß er,
wartete, trank, dachte nach, und wartete.
Um zehn rief er bei Karin Walter an. Sie war nicht
zu Hause.
Wenige Minuten später stand sie in der Tür. „Bitte,
bitte nicht böse sein, Simon! Es ging nicht anders. Der Fürst Franzi!“
Also der schon wieder. Dachte Polt. Und sagte:
„Hauptsache, daß du da bist. Hunger?“
„Ja, und wie. Ich habe mit dem Franzi ein paar
Gläser getrunken, damit er zugänglich wird. Und die spür ich jetzt.“
„Er trinkt also wieder?“
„Saufen ist wohl das bessere Wort, Simon. Aber in
solchen Phasen ist er wenigstens halbwegs guter Laune. Da bin ich leichtsinnig
geworden und hab einen Fehler gemacht. Es hat Zeit gebraucht, ihn
auszubügeln.“
„Erzähl schon.“
Karin holte ein schmales Heft aus der Tasche.
„Kennst du das, Simon?“
Polt nickte. „Ja. Revolit. Und dieser Hut. Er hat's
mir einmal gezeigt, das letzte Exemplar.“
„Eben nicht. Ein paar davon liegen noch in der
Schule. Der bedeutsame Revolit-Hut weggeräumt
in einem Kastl. Ich hab drin gelesen, und heute war ich so blöd, ihm Sätze
daraus vorzuhalten. Da, zum Beispiel: Kein
Mensch kann verloren gehen, wenn nur ein Einziger an das Gute in ihm glaubt. Oder: Siege
über dich und die Welt liegt dir zu Füßen. Stammt übrigens vom heiligen Augustinus. Und noch ein Satz
von Beethoven: Ich will dem Schicksal in
den Rachen greifen. Ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht. Dann habe ich ihn gefragt, warum er das alles nicht mehr
ernst nimmt. Du, Simon, so was von einem Häufchen Elend habe ich noch nicht
erlebt. Wenn diesem Idealisten klar wird, welchen Scherbenhaufen er letztlich
zurückläßt und wie er sich selber zerstört, kann er das nicht aushalten.
Verstehst du?“
„Klar. Wer absolute Ansprüche stellt, scheitert an
der Wirklichkeit, oder so ähnlich.“
Simon Polt holte die kalte Platte aus dem
Kühlschrank und griff nach dem Brot, um abzuschneiden.
Karin schaute erschrocken auf das große Messer in
seiner Hand. „Laß mich das machen, Simon. Männer neigen zur
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