Himmel, Polt und Hölle
Taschentuch über die Augen. Nach ein paar Schritten zupfte er Polt am
Ärmel. „Aber die Gendarmerie ist doch in der anderen Richtung, Herr Inspektor
Polt!“
„Das ist eine sogenannte
Privatverhaftung.“
Weil an diesem Sonntagvormittag viele Burgheimer in
der Kirche waren und andere schon im Wirtshaus, erreichten die beiden fast
ungesehen den Hof des Höllenbauern. In seiner Wohnung angelangt, schob Polt
dem Bartl einen Sessel unters Hinterteil, stellte ihm Brot und Selchfleisch
hin, goß ein Wasserglas mit Wein voll und ließ die Flasche daneben stehen. „So.
Bei Gelegenheit hätte ich gerne dein Messer, Bruno.“
Bartl zog es aus der Innentasche seiner Jacke und legte
es auf den Tisch. Es war wirklich ein großes, scharfes und spitzes Messer, die
Schneide mit Zeitungspapier umwickelt.
Polt kramte in der Bestecklade, dann hob er sein
Fundstück hoch. „Hab ich noch aus meiner Pfadfinderzeit, Löffel, Gabel,
Messerchen, Korkenzieher, Bieröffner, Dosenöffner, alles in einem. Tauschen
wir?“
Bartl nickte.
„Und jetzt sag einmal: Warum wolltest du auf den
armen Pfarrer losgehen?“
Bartls Gesicht zuckte. „Nicht losgehen. Herr
Inspektor Polt. Nur gezeigt hätt ich ihm das Messer, damit der sich fürchtet.
Weil der hochwürdige Herr Pfarrer doch seinen Engel umgebracht hat.“
Polt atmete auf und erschrak gleichzeitig. „Wie
kommst du darauf, Bruno?“
„Weil die Amalie an seinem Wein gestorben ist.
Stimmt doch, Herr Inspektor Polt.“
„Dafür kann der Pfarrer nichts. Aber du lügst mich
ja sowieso an. Schon als du damals beim Kurzbacher im Preßhaus warst, hast du
dich vor deinen finsteren Absichten gefürchtet, stimmt's?“
Bartl nickte.
„Wie war das gleich? Du hast mir doch gesagt, daß du
den Heiligen Geist vertreiben mußt, weil er dich sonst aus dem Himmel
vertreibt. Und von einem Engel war auch noch die Rede, nicht wahr? Der Engel
heißt also Amalie. Und der Heilige Geist hört womöglich auf Virgil Winter?“
Bartl nickte. Dann lächelte er. „Die Amalie und ich,
Herr Inspektor Polt, die Amalie und ich!“
„Wie lange schon, Bruno?“
„Schon immer.“
Sepp
Räuschls Moral
„Der Bruno Bartl? Ein wunschlos verlorenes Kind.“
Virgil Winter stand am späten Sonntagnachmittag neben Simon Polt im Garten des
Pfarrhofs. Den ganzen Samstag über hatte es geregnet und auch die folgende
Nacht. Jetzt war der Himmel wieder blau, aber noch war zu sehen, wie das Naß
den Pflanzen gutgetan hatte, die Farben leuchteten frisch.
„Seit ich hier im Wiesbachtal bin, kenne ich den
Bartl nicht anders. Es muß in seiner Vergangenheit ein Ereignis gegeben haben,
das ihn aus der Bahn geworfen hat. Ich meine fast, er verweigert sich dem
wirklichen Leben, spielt einfach nicht mit. Aus Leichtsinn tut er das jedenfalls
nicht. Hast du ihn jemals lachen gehört, Simon?“
„Nein. Und wie war das mit ihm und der Amalie
Pröstler?“
„Was soll ich sagen. Sie war eine gute Seele, die es
nicht übers Herz brachte, jemanden abzuweisen. Aber das ist Vergangenheit, wie
so vieles. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. Heute waren viele Menschen
in der Kirche. Aber die meisten sind nur aus Neugier gekommen. An anderen
Sonntagen sind die Reihen recht schütter besetzt. Die Gemeinschaft der
Menschen verliert sich, Simon. Wer die ganze Woche über auswärts arbeitet, ist
hier auch am Sonntag nicht mehr wirklich zu Hause. Und den Pfarrer braucht man
fast nur noch, wenn es ums Heiraten geht, ums Taufen oder ums Sterben.
„Etwas muß ich Sie ja doch noch fragen, Hochwürden.
Der vergiftete Wein - Sie haben doch bestimmt über die Sache nachgedacht. Noch
immer keine Idee, wie die Amalie dazu gekommen ist und warum sie so viel davon
getrunken hat?“
„Ich sagte schon, Simon, daß ich meinen Weinvorrat
versperrt halte. Auch daß die Amalie schon einmal zum Leichtsinn neigen konnte,
habe ich erwähnt. Ich bin es leid, mich zu wiederholen.“
„Und es hat früher nie etwas von Ihrem Wein
gefehlt?“
„Nein, Simon, nie.“ Die gewohnte Sanftmut war aus
der Stimme des Pfarrers verschwunden. „Und jetzt bitte ich dich, mich zu
entschuldigen. Es gibt noch zu tun heute.“
„Der Bruno Bartl? Ein
Mistkäfer.“ Aloisia Habesam schob eine Schachtel Schwedenbomben über den
Ladentisch. „Wer ißt denn so etwas bei euch?“
„Der Dienststellenleiter.“
„Daß die Männer doch ewig Kinder bleiben müssen. Wie
geht es übrigens der Karin Walter?“
„Ich seh sie selten.“
„Weil s'
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