Himmel uber Langani
September war ihr Geburtstag. Sie würden sich so viel zu erzählen haben. Im Garten hörte sie das Pfeifen der Nachtschwalben und das Quaken der Laubfrösche, aus der Ferne begleitet von dem heulenden Ruf der Hyänen und dem warnenden Wiehern eines Zebras, das vor einem Raubtier flüchtete.
In der Morgendämmerung machte sie sich auf den Weg zur Molkerei, wo Lars bereits auf sie wartete. Sie sahen zu, wie die Kühe hereingebracht wurden, gingen dann durch die Ställe und nahmen die einzelnen Tiere in Augenschein. Dann sprachen sie mit dem Hirten und den Arbeitern, die für das Melken zuständig waren. Lars erklärte ihnen, dass Hannah nun die Verantwortung über die Molkerei übernehmen würde, und sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie den Kontrollgang fortsetzen. Sie war unglaublich stolz darauf, dass ihr diese wichtige Aufgabe übertragen worden war. Als Anthony gefahren war, kehrte Hannah, weniger widerstrebend als zuvor, an ihren Schreibtisch zurück. Gerade prüfte sie stirnrunzelnd eine Rechnung, die ihr zu hoch erschien, als der Vorarbeiter Juma an der Türschwelle auftauchte.
»Draußen ist ein Mann«, sagte er. »Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Hannah sah von ihren Papieren auf. »Welcher Mann?«
»Ein junger Kikuyu, Memsahib Hannah. Er hat einen Brief von der Missionsschule in Kagumo.«
»Kagumo?«, fragte Hannah überrascht. »Dann hat er einen weiten Weg zurückgelegt. Was will er?«
»Er möchte zu Bwana Piet«, antwortete Juma.
»Er ist nicht hier«, erklärte sie. »Er sieht sich den Bullen an, der gestern Nacht mit dem Bein im Zaun hängen geblieben ist. Sag dem Mann, er soll später wiederkommen.«
Juma verschwand, und Hannah hörte Stimmen auf den Stufen vor dem Haus. Als er zurückkam, hielt er einen sorgfältig gefalteten Brief in der Hand.
»Der Mann bittet Sie, das zu lesen«, sagte er. »Er wartet draußen.«
Sie nahm den Brief aus seiner ausgestreckten Hand und überflog ihn. Er war in einer ziselierten, schulmeisterlichen Handschrift verfasst.
Kagumo Schule
Kiganjo
Zentralprovinz
Bestätigung
Simon Githiri kam als kleines Waisenkind zu uns. Er wuchs hier auf und wurde in der Missionsschule von Kagumo erzogen. Wir nehmen an, dass er ungefähr zwanzig Jahre alt ist. Er ist nun auf der Suche nach Arbeit. Wir halten ihn für fleißig, intelligent, ehrlich und wissbegierig. Er spricht gut Englisch, kann lesen und schreiben und hat sein Abschlusszeugnis erhalten und einen Grundkurs in Buchhaltung abgeschlossen. Er wäre geeignet zur Ausbildung in Bürotätigkeiten oder in anderen Bereichen der Verwaltung. Er versteht sich darauf, Akten zu führen, und arbeitete auch bereits in der Lagerverwaltung. Während seiner Schulzeit half er beim Jäten und Bepflanzen der schuleigenen Felder.
Ich bin sicher, dass er sich als zuverlässiger und nützlicher Arbeiter erweisen wird, wenn er die Möglichkeit dazu bekommt.
Pater Carlo Caverde
Direktor
Die Mission Kagumo lag in der Nähe der Gemeinde Nyeri am Fuß des Aberdare-Gebirges. Der lang gezogene Gebäudekomplex wurde von italienischen Priestern geführt, und Hannah erinnerte sich schmunzelnd daran, dass er bei den Europäern in dieser Gegend seit langem »das Heilige Römische Reich« genannt wurde. Die Consolata Pater besaßen ein Krankenhaus, Schulen, ein Waisenhaus und ein landwirtschaftliches Trainingslager. Sie genossen den Ruf, Schüler und Arbeiter sehr gut auszubilden. Sie fasste einen Entschluss.
»Schick ihn herein, Juma, dann werde ich entscheiden, ob er auf Bwana Piet warten soll oder nicht.«
Der junge Mann war schlank und drahtig, von mittlerer Größe und hatte sehr dunkle Haut. Er trug eine saubere, verblichene Hose, ein kariertes Baumwollhemd und aus alten Autoreifen gefertigte Sandalen. Respektvoll blieb er an der Türschwelle stehen und senkte den Blick, nachdem er kurz die Person gemustert hatte, die ihn befragen wollte. Hannah wies auf das Empfehlungsschreiben von der Mission.
»Simon Githiri«, sagte sie. »Wie ich hier lese, bist du von den Patern in Kagumo erzogen worden?«
»Ja, Madam. Sie haben mir eine gute Ausbildung ermöglicht.« Seine Stimme war tief und seine Aussprache sehr deutlich.
»Sie glauben, du wärst für eine Bürotätigkeit geeignet. Ich hätte eher angenommen, dass du dir dann Arbeit in Nyeri suchen würdest. Das ist eine sehr belebte Stadt, wo es sicher Unternehmen gibt, die Personal suchen. Und sie liegt viel näher bei deiner Heimat.«
»Es ist nicht meine Heimat, Madam.« Er sah
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