Himmel uber Langani
Wohnzimmer, lächelte Hannah bei der Erinnerung an diese Nacht. Seitdem hatte sich nicht viel geändert, und sie erstickte immer noch in Papierkram. Plötzlich fragte sie sich, ob Lars im Haus war. Zumindest hätte sie dann mit jemandem reden können. In einem Sturm kam jeder Hafen gelegen. Mwangi tauchte aus der Küche auf und lächelte sie strahlend an.
»Es ist schon spät«, sagte er. »Möchten Sie etwas Warmes trinken?«
»Tee, bitte, Mwangi. Ich trinke ihn hier. Und du solltest zu Bett gehen. Hast du Bwana Lars gesehen?«
»Er ist unterwegs, um den unteren Zaun zu überprüfen. Er meinte, dass nyati [34] vom Sumpf heraufkämen. Und er sagte, Sie würden sehr böse werden, wenn sie noch einmal Ihre Gemüsebeete zertrampeln.«
»Da hat er Recht!« Die Büffel wurden zur Gefahr, wenn sie in den Garten eindrangen. Vor einigen Wochen hatte Piet einen erschießen müssen, der ein Maisfeld der watu zerstört hatte.
Hannah setzte sich ans Feuer. Sie glaubte den Geruch der Pfeife ihres Vaters wahrzunehmen, der immer noch in den Polstern hing, doch vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Jan hatte oft hier gesessen und eine letzte Pfeife geraucht, bevor er zu Bett ging. Sie beugte sich vor und stocherte in der Glut. Die dringendsten Rechnungen hatte sie aus dem Büro mitgebracht, aber vielleicht war es besser, sie morgen gemeinsam mit Piet durchzugehen. Wenn er nach Hause kam, würde er müde sein, und möglicherweise war Anthony bei ihm. Wahrscheinlich würde auch Lars auftauchen. Stets hatte er an ihren Vorschlägen etwas auszusetzen. Manchmal wünschte sie, Piet und sie könnten ihr Zuhause eine Weile für sich allein haben, ohne die ständige Gegenwart des großen Norwegers. Hannah hatte gewollt, dass er in die alte Hütte für die Verwalter zog, die einige hundert Meter vom Haupthaus entfernt lag. Aber sie musste renoviert werden, und alle verfügbaren Mittel und Arbeitskräfte wurden nun für den Bau der Lodge benötigt. Lars bewohnte eines der Gästezimmer, aß mit ihnen, tauchte ständig überall auf und nahm mit seiner großen, schlaksigen Gestalt jeden Raum in Beschlag. Nein, das war nicht fair. Ihr war durchaus bewusst, dass sie ohne ihn nicht zurechtkommen würden. Und sie war dankbar, dass er heute Abend hinausgefahren war, um ihren Gemüsegarten vor den Büffeln zu schützen. Er war ein guter Mann mit einer tiefen, festen Stimme, der sie oft mit seinem komischen Bemerkungen zum Lachen brachte. Vor kurzem waren sie an einem Abend sehr niedergeschlagen gewesen, und Piet hatte nach dem Abendessen den Brandy auf den Tisch gestellt. Da hatte Lars ihnen zum ersten Mal von seinem Leben in Norwegen erzählt. Seine Beschreibung der exzentrischen und dickköpfigen Menschen aus seiner Familie und Nachbarschaft hatte ihnen geholfen, ihre eigenen Probleme für eine Weile zu vergessen, und Hannah war von der Vorstellung fasziniert gewesen, an einem Ort zu leben, wo es mehrere Wochen im Jahr Tag und Nacht stockdunkel war. Lars sah tatsächlich so aus, wie man sich einen Wikinger vorstellte: Er war groß und hager, hatte wettergegerbte Gesichtszüge und blondes, ein wenig zu langes Haar. Aber irgendwie konnte sie sich ihn nicht auf einem Raubzug vorstellen. Für Vergewaltigung und Plünderung war er viel zu höflich. In ihren Augen waren Männer interessanter, die unterschwellig ein wenig gefährlich wirkten.
Wie Anthony. Hannah hatte schon immer gefunden, dass er etwas von einer Raubkatze an sich hatte – fließende Bewegungen, eine innere Kraft, einen Anflug von Berechnung und sogar eine Drohung in den braunen Augen, die immerzu nach etwas Ausschau hielten. Ausschau nach etwas, wovon sie nichts wusste. Und Viktor Szustak. Er benahm sich wie ein Wilder, lachte laut und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, wenn er sprach. Selbst wenn er nicht in Eile war, wirkte er wie ein Wirbelwind, und wenn er versuchte, eine seiner Ideen oder ein Konzept zu erklären, fertigte er großflächige, krakelige Zeichnungen an. Doch dann legte er verschiedene Pläne vor, die jedes Detail enthielten, wohldurchdacht, durchnummeriert und mit akribischen Linien und Buchstaben versehen. Es war ihr ein Rätsel, wie er seine Hand ruhig genug halten konnte, um so zu zeichnen. Er trank große Mengen Whisky, Wodka und Gin und ermutigte sie, das alles zu probieren. Vor kurzem hatte sie würgen müssen und sich verschluckt, als er ihr irgendein Feuerwasser aus Nairobi mitgebracht hatte. Unwillkürlich hatte sie dabei an Sarah denken
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