Himmel uber Langani
Lotties Gesicht vor Zufriedenheit strahlte. Also hatte Ma es gewusst! Wahrscheinlich war sie bei dieser Entscheidung sogar maßgeblich beteiligt gewesen. Alle hatten es gewusst – außer ihr! Das nahm sie ihnen übel.
»Die Entscheidung ist erst vor ein paar Tagen gefallen, Han. Und nur unter der Bedingung, dass Pa eine Aushilfe für die Zeit findet, in der ich nicht hier bin.« Piet hielt es für klüger, das Thema zu wechseln. »Möchtest du morgen früh mit uns ausreiten, Ma? Ich dachte, wir brechen vor dem Frühstück auf und halten Ausschau nach der Schimpansenfamilie, die ich letzte Woche entdeckt habe.«
Sarah spürte einen Stich. Er hatte versprochen, mit ihr auszureiten – nur sie beide. Sie hatte sich so darauf gefreut! Das wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, Zeit mit Piet allein zu verbringen und seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu genießen.
»Ich bin am Vormittag beschäftigt. Dein Vater und ich haben eine Verabredung auf der Farm der Murrays«, antwortete Lottie. »Wahrscheinlich werden wir nicht zum Mittagessen hier sein. Aber abends werde ich euch Mädchen zur Schule zurückfahren.«
»Heutzutage begreift niemand, was die Regierung wirklich vorhat.« Jan runzelte die Stirn und nahm sich noch eine Portion von Lotties neuen Kartoffeln. »An einem Tag versichern sie, uns Minderheiten beschützen zu wollen, wenn die Unabhängigkeit kommt, am nächsten hört man Gerüchte, dass unser Land beschlagnahmt werden soll. Wir könnten enteignet und vertrieben werden. Das würde bedeuten, dass Langani aufgeteilt und in kleinen Parzellen an die Kaffern [18] verkauft wird.« Er schnaubte verächtlich. »Keinem wird es gelingen, die Farm in Portiönchen von jeweils vier Hektar ertragreich zu bewirtschaften. Wir schaffen es ja schon kaum mit dem ganzen Land. So wie ich unsere Arbeiter kenne, werden sie den Weizen verrotten lassen und ihn durch Mais ersetzen, der in dieser Höhe nicht gut gedeiht. Dann werden sie Bankrott machen und hungern. Glaubt mir, das ist kein guter Plan. Und es wird noch schlimmer werden. Wir müssen uns überlegen, was wir für uns tun können, falls die Regierung uns im Stich lässt.«
»Darüber wollen wir bei diesem Abendessen nicht sprechen, Jan.« Lottie versuchte, den düsteren Prognosen ihres Ehemanns die Spitze zu nehmen. »Und du solltest aufhören, das Wort ›Kaffer‹ zu benutzen. Das kann man nicht mehr sagen.«
»Lottie, wir werden eine Menge Probleme haben, und das sollten wir alle begreifen.« Diesmal ließ sich Jan nicht zum Schweigen bringen. »Hier auf Langani wurde niemand während des Mau-Mau-Aufstands [19] angegriffen, und die meisten unserer Arbeiter mussten keinen Eid leisten. Aber in den nächsten zwei oder drei Jahren werden wir nicht von Unruhen verschont bleiben. Vor allem, wenn die Engländer weiterhin entschlossen sind, unseren Besitz zu verschleudern und uns dann im Stich zu lassen.«
»Da bin ich nicht deiner Meinung«, entgegnete Lottie ruhig. »Ich glaube nicht, dass die Unabhängigkeit so viel ändern wird. Unsere watu sind zufrieden. Niemand auf Langani beklagt sich.«
»Es ist noch nicht lange her, dass ich Seite an Seite mit unseren britischen Nachbarn gekämpft habe«, erwiderte Jan. »Während des Ausnahmezustands brauchten sie uns Afrikaaner, aber jetzt haben sie uns bequemerweise aus ihrem Gedächtnis gestrichen.«
»Diese Zeiten sind vorbei«, sagte Lottie mit strenger Miene. »Wir können nicht in der Vergangenheit leben, Jan. Und Kenias Zukunft kann sich für uns alle positiv entwickeln.«
Jan schüttelte schweigend den Kopf und hing seinen Gedanken nach. Während des Mau-Mau-Aufstands hatte er seinen Bruder bei einem Angriff aus dem Hinterhalt im Wald sterben sehen. Ihre Truppe hatte sich monatelang in der feuchten Kälte der Wälder versteckt und nicht genug zu essen gehabt. Ihre Gesichter waren zur Tarnung geschwärzt, und ihre Körper begannen zu stinken, während sie nach Terroristen suchten. In dunklen Nächten waren sie durch das Unterholz gerobbt, auf der Jagd nach den Kikuyu, die den Eid abgelegt hatten. Sie drohten, die Farmen der weißen Familien zu zerstören und sie auf grausame Weise umzubringen. Damals waren viele seiner britischen und afrikaansen Nachbarn nach Rhodesien oder Südafrika geflohen, und einige waren nach England zurückgekehrt.
»Unsere Kaffern haben eine Unterkunft, medizinische Verpflegung und Schulbildung«, hielt er seiner Frau entgegen. »Aber in ihrem tiefsten Inneren glauben sie, dass wir uns auf
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