Himmel uber Langani
weiche Fell und die geschmeidigen Tierhäute, die ihr Vater für sie getrocknet und geglättet hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Lottie hatte ihr seitdem eine Auswahl neuer Steppdecken angeboten, aber Hannah beharrte darauf, die alte zu behalten. Sie setzte sich und klopfte auf das Bett, damit Sarah sich zu ihr gesellte, während Camilla sich in den Sessel am Fenster warf, von dem aus man auf den Garten hinausblicken konnte. Der Vollmond erleuchtete den Nachthimmel und zeigte ihn in einer stillen, entfernten Schönheit, der nichts und niemand etwas anhaben konnte.
»Ich verstehe einfach nicht, was heute mit Pa los war«, sagte Hannah. »Vielleicht ist er nur traurig darüber, weil dieser Ort für uns nun nicht mehr der Mittelpunkt der Welt sein wird.«
»Das ist schon in Ordnung. Als ich sagte, dass ich möglicherweise nicht mehr hierher zurückkehren kann, habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen.« Camilla schien ihre Fassung wiedererlangt zu haben.
»Das stimmt. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren so schöne Zeiten hier verbracht. Wie beängstigend, sich vorzustellen, dass wir an den Wochenenden nicht mehr nach einer nur halbstündige Fahrt in Langani sein werden«, meinte Sarah. »Zumindest für dich wird die Farm immer noch der Mittelpunkt der Welt sein, Hannah. Du und Piet werdet sie eines Tages bewirtschaften. Er wird das Naturschutzgebiet gründen, dort die Aussichtshütten bauen und …«
»Ich weiß, dass dies mein Zuhause ist, und ich liebe es. Nur manchmal scheint so weit weg von allem zu sein.«
»Weit weg wovon, um Himmels willen?«, fragte Sarah.
»Von anderen Menschen. Von allem Neuen auf der Welt. Für euch ist das kein Problem. Ihr kommt für kurze Zeit zu Besuch, aber wenn ihr hier leben müsstet, nur mit euren Eltern …«
»Und Piet. Du kannst dich nicht über seine Gesellschaft beklagen! Ich hätte nichts dagegen, einen großen Bruder wie ihn zu haben.« Camilla wandte sich von dem mondbeschienenen Garten ab.
»Ich dachte immer, es würde ein Mordsspaß werden, wenn er alle seine Freunde einlädt.« Hannah verdrehte die Augen. »Aber sie trinken nur ständig Bier, reden über die Bewirtschaftung von Farmen, Politik und Rugby. Und über die Mädchen, die sie in Nairobi oder Nanyuki kennen lernen. Mich beachten sie nicht einmal.«
»Die Freunde meines Bruders haben mich auch nie als menschliches Wesen betrachtet. Aber eines Tages wird dich einer von ihnen bemerken – dich richtig wahrnehmen –, und dann wird alles anders sein«, entgegnete Sarah.
»Ich bin zu groß. Groß und schwer wie Pas Ochsen. Warum kann ich nicht so klein, hübsch und dunkelhaarig sein wie Ma? Vielleicht hätten sie mich wirklich in die heifer boma schicken sollen!«
»Du bist nicht zu groß, sondern hoch gewachsen. Dein dichtes blondes Haar ist wunderschön, und du bist so schnell wie der Wind. Wenn ich renne, läuft mein Gesicht dunkelrot an, und ich kann mich erst sehen lassen, wenn meine Gesichtsfarbe wieder normal ist. Außerdem spielst du gut Tennis und reitest hervorragend. Heute sahst du auf deinem Pferd richtig stattlich aus.«
»Stattlich? Das klingt nicht sehr reizvoll.«
»Wir können nicht alle so aussehen wie Camilla«, erklärte Sarah. »Es ist nicht fair, dass sie eine perfekte Figur, große blaue Augen und eine reine Haut hat. Und dazu besitzt sie noch Verstand.«
Camilla schwieg. Sie schien auf irgendetwas hinter der Fensterscheibe zu starren; dann beugte sie sich vor und klopfte leicht gegen das Glas. Schließlich drehte sie sich um, stand auf und lächelte den anderen zu.
»Kommst du mit ins Bett?«, fragte Sarah.
»Noch nicht. Geh schon vor. Wir sehen uns dann später.«
Sarah ging in die Nacht hinaus. Kühle Luft von den Bergen umgab sie, und in der Ferne hörte sie ein trockenes Bellen. Es kam direkt von der Grenze des Gartens. Ein Leopard! Wenn Piet jetzt hier wäre! Er besaß eine starke Lampe, mit der er nachts das Wild beobachtete.
Der Mond warf einen breiten Lichtstreifen in das Schlafzimmer, sodass sie weder die Sturmlampe noch eine Kerze anzünden musste. Sie putzte sich die Zähne mit eiskaltem Wasser und kletterte ins Bett. Der morgige Tag war noch Stunden entfernt. Ihr Körper fühlte sich heiß an und prickelte vor Ungeduld. Wie konnte sie die Wartezeit überstehen, bis sie ihn wiedersah? Wie sollte sie nur einschlafen können? Doch der Ausritt am Nachmittag und der Sherry in Kombination mit dem Wein sorgten dafür, dass sie fast augenblicklich
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