Himmel uber Langani
festbinden und hier warten. Komm, Sarah. Zum Gipfel ist es noch ein Stück. Aber es ist die Mühe wert.«
Er stapfte voran durch das Geröll, bis sie den Gipfel des Berges erreichten. Dort legte er Sarah die Hände um die Taille und drehte sie langsam um die eigene Achse, damit sie die Aussicht bewundern konnte. Der Wind zerrte an ihren Kleidern, als sie sich ehrfürchtig umsah. Unter ihnen erstreckten sich, in bunten Farben strahlend, die Ländereien von Langani. Sie konnte das lange Dach des Hauses mit den Ställen und Nebengebäuden erkennen. Dicht dabei standen Hannahs Viehstall und die Milchküche. Die Kühe auf der grünen Weide wirkten wie Spielzeugtiere. Die Weizenfelder wogten im Wind. Als Sarah sich weiterdrehte, kamen die strohgedeckten Häuser der Arbeiter, Lotties Schule und die Krankenstation in Sicht. Direkt unter ihr ragten die Gebäude der Lodge aus dem dunkelgrünen Blätterdach der Bäume und den rötlichen Felsen, aus denen der kopje bestand. Dazwischen befanden sich der Fluss und der bundu mit seinem Gebüsch, den runden Wipfeln der Akazienbäume und den Termitenhügeln, die an rote Finger erinnerten. Alles wirkte vollkommen, wie die Landschaft einer Modelleisenbahn, aufgebaut auf einem riesigen Brett, um den Göttern eine Freude zu machen. Als Sarah die Arme ausbreitete, trat Piet zurück und musterte sie mit einem zärtlichen Lächeln. Von der Autofahrt war sie von oben bis unten mit Lehm besprenkelt. Lachend wandte sie sich zu ihm um und rief aus, so etwas Wundervolles gäbe es sonst auf der ganzen Welt nicht mehr. Als ihr vom vielen Drehen schwindelig wurde, hielt er sie fest. Sie lehnte sich an ihn und versuchte, sich die angetrocknete Erde rings um die Augen wegzuwischen, allerdings mit dem Ergebnis, dass sie alles noch mehr verschmierte.
»Jetzt siehst du aus wie ein Buschschliefer«, sagte Piet und zog ein Taschentuch hervor, um sie zu säubern. Sarah hielt den Atem an, als er eine Hand auf ihren Rücken legte und sie an sich zog, während er mit der anderen ihre Wange bearbeitete.
»So.« Er steckte das Taschentuch wieder weg, ließ sie aber nicht los.
Im ersten Moment blieb sie reglos stehen. Dann legte sie ihm die Arme um den Hals und hob den Kopf, um sich von ihm küssen zu lassen. Er war der einzige Mann, den sie je begehrt hatte. Sie liebte ihn. Er hatte sie hierher an seinen Lieblingsplatz gebracht. Das musste doch etwas zu bedeuten haben. Er beugte sich zu ihr herunter, und seine Lippen berührten ihre. Im nächsten Augenblick zog er sie fest an sich, sodass ihr ganzer Körper wohlig erbebte. Wieder und wieder küsste er sie auf den Mund, auf die Stirn, die Augen und die Kehle, bis sie nach Atem rang. Sie berührte die Haarstoppeln an seinem Nacken, ließ die Finger seinen Kiefer entlanggleiten, vergrub sie in seinem warmen strohblonden Haarschopf und strich dann über seine Wangenknochen und seinen kräftigen Hals. Schließlich lösten sie sich voneinander. Die Finger ineinander verschlungen, sahen sie sich an.
»Komm und setz dich.« Seine Stimme klang heiser. Er führte sie zu einem ausgehöhlten Felsen, wo sie dicht nebeneinander Platz nahmen und das Land unter sich betrachteten. Dann nahm er ihre Hand und küsste jeden ihrer Finger. Sie lehnte den Kopf an seine Brust.
»Ich habe dein Gedicht gelesen«, sagte er leise. »Du weißt schon, das Gedicht von Masefield, das du in Gedi zitiert hast. Es hat mich nicht mehr losgelassen. Also habe ich es nachgeschlagen, als ich wieder zu Hause war. Der erste Teil ist ziemlich pessimistisch. Aber Langani wird es nicht so ergehen wie den verfallenen Städten. Es wird überleben und gedeihen. Und zwar wenn wir Visionen haben und Entschlossenheit zeigen. Du hast Visionen, Sarah. Du hast mir Mut und Selbstvertrauen gegeben. Du inspirierst mich. So wie in den letzten Zeilen des Gedichts.
… lass eintauchen den Geist zum Meeresgrunde,
Wo gold’ne Schätze strahlen weit und breit.
Und wo etwas emporragt und tut Kunde
Von unserm Sieg über den Sand der Zeit!«
Er legte beide Arme um sie und stützte das Kinn auf ihren Scheitel. »Ich bin ein schrecklicher Dummkopf, Sarah. Ich habe immer nach einer wahren Seelenfreundin gesucht, und ich dachte …«
»Sprich nicht weiter, Piet.« Sie legte ihm den Finger auf die Lippen. »Es war verständlich, dass du …«
»Aber ich muss es dir sagen. Ich möchte nicht, dass es Tabus zwischen uns gibt. Ich war verrückt nach Camilla, vollkommen übergeschnappt. Der afrikaanse Bauernjunge auf der Jagd
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