Himmel uber Langani
dahinschmelze!« Sie lachte leise auf, doch als sie weitersprach, schwang Trauer in ihrer Stimme mit. »Ich vermisse Ma so sehr.«
»Wie läuft es denn bei deinen Eltern?«, erkundigte sich Sarah. »Smith hat mit seiner einseitigen Unabhängigkeitserklärung doch einen wichtigen Wendepunkt herbeigeführt.«
»Keine Ahnung. Jedenfalls herrscht dort Mord und Totschlag. Pa muss immer öfter auf Patrouille, und sein Cousin schickt ihn jedes Mal los, wenn es in der Gegend Aufruhr gibt. Nach Mas Auffassung ist der Mann nicht ganz richtig im Kopf. Wenn ich mit ihr spreche, wirkt sie völlig verzweifelt, und ich habe noch immer ein schlechtes Gewissen, weil ich sie im Stich gelassen habe. Aber ich hätte nicht bleiben können, und im Moment sieht es nicht danach aus, als würden sie je zurückkommen.«
»Also nimmt die Farm deine ganze Zeit in Anspruch. Und Viktor.«
»Das trifft es mehr oder weniger. Außerdem ist Piet keinen Deut besser als Lars – die beiden sind wie Brüder und können es nicht ertragen, dass ich mich in Viktor verliebt habe. Wahrscheinlich würden sie jeden meiner Freunde ablehnen. Du erinnerst dich doch noch, wie Piet dem Typen, der mich im Nanyuki Club küssen wollte, eine verpasst hat. Manchmal ist er sittenstrenger als die schlimmsten Calvinisten.«
Beide prusteten los und schreckten damit ein paar Warzenschweine auf, die sich gerade im Schlamm suhlten.
»Apropos Piet?«, fügte Hannah hinzu und zog vielsagend die Augenbraue hoch.
»Da bist du genauso schlau wie ich.« Sarah fuhr sich mit den Fingern durchs staubige zerzauste Haar. Sie konnte Hannah nicht in die Augen sehen.
»Er ist und bleibt ein Trampel«, meinte Hannah. »Aber er liebt dich wirklich. Das weiß ich genauso gut wie er selbst, auch wenn er es nicht schafft, es auszusprechen. Gib ihm einfach Zeit. Schließlich hat er mit der Farm und der Lodge alle Hände voll zu tun.«
»Glaubst du, er ist wirklich über Camilla hinweg?«, fragte Sarah, noch immer tief verunsichert. Auf dem Berg hatte er sie zwar geküsst, doch nicht gesagt, dass er sie liebte. Stattdessen hatte er ihr alle seine Probleme geschildert.
»Du und Piet, ihr seid füreinander geschaffen, Sarah. Ihr seid verwandte Seelen«, erwiderte Hannah. »Er schätzt dein Urteil und vertraut dir Dinge an, über die er sonst mit niemandem sprechen würde. Außerdem weiß er, dass du ihn verstehst. Und wenn du nicht hier bist, redet er nur über dich. Ich habe bemerkt, wie er dich anschaut. So wie heute, als ich euer Tete-a-tete gestört habe.« Sie grinste spitzbübisch. »Also zermartere dir nicht das Hirn über meinen tölpelhaften Bruder. Der kriegt schon noch die Kurve, und dann wirst du dich nicht mehr vor ihm retten können.«
Das Wochenende verging wie im Fluge. Stunden und Minuten rasten in beängstigender Geschwindigkeit dahin, so gerne Sarah sie auch aufgehalten hätte. Sie half Hannah auf der Krankenstation und in der Milchküche, zählte die Säcke mit Futtermitteln und Dünger in den Lagerschuppen, säumte Vorhänge für die Lodge ein und zimmerte Bilderrahmen aus Holzstücken, die sie im Wald gefunden hatte. In den frühen Morgenstunden ritt sie mit Piet aus, und wenn die Sonne aufging und ihre gleißenden Strahlen auf das Land fielen, rasteten sie im Schutze eines Dornenbaums, wo sie sich aneinander schmiegten und sich zärtlich liebkosten. Später ging er dann mit Lars zur Arbeit. Hin und wieder hörten Hannah und Sarah, wie die beiden mit ihren Gewehren Schießübungen veranstalteten.
Am letzten Tag ihres Aufenthalts empfand Sarah die Stimmung zwischen Lars und Hannah als besonders gereizt. Hannah war schon den ganzen Tag schlechter Laune, da sie auf einen Anruf von Viktor wartete. Als er sich schließlich am Nachmittag meldete, war Lars am Telefon und sagte, er wisse nicht, wo Hannah sei. Vor dem Büro kam es zu einem heftigen Streit, worauf Lars davonstürmte und sich bis zum Abendessen nicht mehr blicken ließ.
»Zu Weihnachten kommst du wieder, Sarah. Und auch zur Eröffnung der Lodge und zum ngoma« , meinte Piet, um das eisige Schweigen zu brechen. »Vielleicht möchten die Briggs ja auch dabei sein. Die Arbeiter, die Stammesältesten und die Frauen und totos werden bestimmt ihren Spaß haben.«
Sarah war froh, als die Mahlzeit zu Ende war. Piet schob seinen Stuhl zurück und fragte, ob sie den Kaffee nicht draußen trinken wolle.
»Es ist ein bisschen kühl«, sagte er. »Aber der Atmosphäre hier drinnen trotzdem vorzuziehen.«
»Stimmt«,
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