Himmel uber Langani
entschied. Er ergatterte einen Tisch in einer Ecke, wo flackerne Kerzen die Decke des Gewölbes erhellten. Camilla fühlte sich geschmeichelt, als einige der Gäste sie wiedererkannten, denn ihr Foto war vor einigen Monaten in den italienischen Modezeitschriften erschienen. Sie und Roberto plauderten, tranken Champagner, tanzten, rauchten eine Zigarette, unterhielten sich und tanzten dann wieder. Dabei hielt Rorberto sie locker umfasst und machte ihr auf eine reizende Weise den Hof, in der sich der Charme der alten Welt widerspiegelte.
»Erzähl mir, was mit deinem Gesicht passiert ist«, meinte er.
»Ich habe ein paar Wochen in Kenia verbracht und bin in einen Raubüberfall geraten. Dabei wurde ich mit einem panga verletzt.«
»Von der Wunde wird sicher bald nichts mehr zu sehen sein. Aber siehst du die Bilder noch vor dir? Verfolgen sie dich bis in deine Träume?«
Die Frage überraschte sie. »Ja. Wir alle hatten in jener Nacht Glück. Aber ich leide noch immer an Albträumen. Irgendwann wird sich das vermutlich legen, doch momentan schrecke ich zusammen, sobald ich hinter mir Schritte höre. Und wenn ich nachts die Augen zumache, sind die Gesichter der Männer wieder da.«
»Ich habe Albträume von meiner Schwester und davon, wie sie gestorben ist. Wahrscheinlich wird das nie aufhören. Das ist eine Narbe, die nie verblassen wird.«
»Deine Mutter hat mir davon erzählt. Es muss schrecklich gewesen sein«, erwiderte Camilla. »Ich bin zwar Einzelkind, aber ich hatte zwei sehr gute Freundinnen, die wie Schwestern für mich waren. Nun habe ich sie verloren, und das tut viel mehr weh als meine Albträume oder die Narbe.«
Inzwischen war sie ein wenig beschwipst, und Tränen brannten hinter ihren Augenlidern. Roberto beugte sich vor, um sie zu küssen, doch ihr war jetzt nicht mehr nach einem Flirt zumute. Eine bleierne Müdigkeit hatte sie ergriffen.
»Roberto«, sagte sie. »Könntest du mich zurück ins Hassler bringen? Seit ich einundzwanzig bin, fühle ich mich auf einmal uralt. Vielleicht liegt es auch daran, das ich mindestens drei Flaschen Champagner ganz allein ausgetrunken habe. Ich könnte auch ein Taxi nehmen, wenn du mir eines besorgst. Es tut mir Leid, Roberto, wirklich.«
»Aber das geht doch nicht«, protestierte er lachend. »Ich wollte dich mit zu einer Party bei einem Freund nehmen. Dort wirst du sicher wieder wach werden und dich wunderbar amüsieren. Du kannst jetzt nicht wie eine alte Dame schlafen gehen. Nicht an deinem Geburtstag.«
In dem altehrwürdigen Palazzo wimmelte es von elegant gekleideten jungen Leuten aus der römischen Oberschicht. Roberto stellte Camilla ihren Gastgeber vor, doch wegen des Partylärms bekam sie den Namen nicht richtig mit und verstand nur, dass er ein Prinz war. Musik dröhnte, viele Gäste tanzten, und auf den Samtsofas räkelten sich knutschende Pärchen. Andere tranken Champagner oder Schnaps, rauchten Marihuana oder schluckten bunte Tabletten, die sie goldenen und emaillierten Döschen entnahmen.
»Ich kann nicht lange bleiben, Roberto«, meinte Camilla. »Mir fallen schon fast die Augen zu.«
Plötzlich stand der Prinz neben ihr. »Aber du bist doch gerade erst gekommen, und gleich gibt es Nachtisch«, widersprach er. »Trink erst mal einen Schluck Champagner. Ich bringe dir etwas, damit du vergisst, dass du je müde gewesen bist.« Er winkte einen Kellner mit einem Tablett voller glitzernder kleiner Zuckerwürfel heran und warf einen davon in ihr Glas.
Camilla blickte ihm nach, als er davonging. Dann prostete sie Roberto zu und trank lächelnd ihren Cocktail. Er führte sie in die Mitte des Raums, wo sie mit ihm tanzte. Sie gab sich seinen langsamen, sinnlichen Bewegungen hin und ließ zu, dass er sie an sich presste. Schließlich spürte sie, wie ihre Fingerspitzen prickelten, und ihr wurde schwindelig. Als die Band eine Pause einlegte, machte sie sich los und ging zum Fenster, um die Nachtluft einzuatmen. Sie blickte hinunter auf den Platz, in dessen Mitte ein Brunnen stand. Roberto folgte ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das sie nicht verstand. Im nächsten Moment explodierte der Brunnen in einer Fontäne aus sprühenden bunten Formen und Farben und verwandelte sich in einen gewaltigen, durchscheinenden fliegenden Fisch. Camilla schnappte nach Luft und wandte sich zurück zum Raum, wo die Wände sich vorwölbten und wieder zusammenzogen, in leuchtenden Tönen erstrahlten und mit jedem ihrer Atemzüge vibrierten. Die Menschen glitten an
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