Himmel uber Langani
klapperten rhythmisch über den Marmorboden, als sie ihrer Mutter und Claudia durch einige große Empfangssäle folgte, die eher an die Hallen eines Museums als an ein privates Wohnhaus erinnerten.
»Dieses Haus ist der Sitz von Francos Familie und kann manchmal eine ordentliche Plackerei sein«, meinte Claudia, zugleich verzweifelt und liebevoll. »Jeden Tag muss man sich aufs Neue ins Zeug legen, um dieses alte Gemäuer instand zu halten. Dazu noch der ewige Kampf gegen die Feuchtigkeit, abblätternden Putz, zugige Fenster und bröckelnde Steine. Manchmal sage ich zu Franco, er soll die Bude doch verfallen lassen, damit wir in eine moderne Stadtwohnung umziehen können. Dann könnte ich meine Tage damit verbringen, in der Via Veneto einzukaufen oder mit meinen Freundinnen Bridge zu spielen. Aber wenn ich einen Spaziergang im Garten mache, verliebe ich mich wieder in dieses Haus.«
Aus den düsteren Räumen, die schon bessere Zeiten gesehen hatten, traten sie auf eine Terrasse mit Blick auf den Garten. In der Mitte stand ein Brunnen mit der Statue eines nackten jungen Mannes, der auf einem Löwen reitet. Die Mähne des Tiers hatte im Laufe der Jahrhunderte unter dem ständigen Wasserstrahl gelitten. Der Mittagstisch war unter den Pinien am Rande der Rasenfläche gedeckt. Einige Menschen mit Champagnergläsern standen im Sonnenschein. Das Herbstlicht spiegelte sich in Gläsern und Porzellan und glitzerte in Schalen mit Obst und Blumen, die den langen Tisch schmückten. Roberto winkte ihnen zur Begrüßung zu und lief die Treppe hinauf, um Marina in den Garten zu führen. Dabei warf er Camilla über die Schulter hinweg einen Blick zu, in dem sich unverhohlene Begierde malte. Camilla lachte, als Franco Santini sie mit den anderen Gästen bekannt machte. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass einige in ihrem Alter waren. Nach einigen zögerlich geäußerten Sätzen besann sie sich auf ihre italienischen Sprachkenntnisse. Bald plauderte sie locker mit Robertos Freunden, die sie an ihren Bekanntenkreis während ihres einjährigen Kunst- und Sprachenstudiums in Florenz erinnerten. Ihre überschäumende Lebensfreude wirkte ansteckend, und bald fühlte sich Camilla schon viel wohler.
Das reichhaltige Mittagessen zog sich eine Weile hin. Marina aß zwar nur wenig, schien aber den Champagner und die Weine zu genießen, die ständig von einem Butler mit weißen Handschuhen nachgeschenkt wurden. Sie war in ihrem Element, drehte den Kopf auf die gezierte Art, die Camilla so gut kannte, flirtete mit den anwesenden Männern und machte mit ihrer hellen, leicht atemlos klingenden Stimme scherzhafte Bemerkungen. Sie wirkte völlig unbeschwert, als sei ihr Leben nur mit Glück gesegnet. Als man zum letzten Mal auf Camillas Geburtstag anstieß, war es schon kurz vor sechs Uhr abends. Auf dem Tisch standen Kaffeetassen und Brandygläser. Die Damen hatten sich Stolen oder Jacken um die Schultern gehängt. Allmählich brach die Dämmerung herein, und die Bäume warfen lange, dunkle Schatten auf den Rasen. Camilla erschauderte.
»Komm, überlassen wir die alten Leute ihrem Schicksal«, schlug Roberto vor. »Ich zeige dir Rom ohne Dinosaurier.«
»Geh nur mit Roberto«, meinte Claudia. »Ich fahre Marina zurück ins Hotel, und dann setzen wir uns noch ein bisschen zusammen. Wenn sie müde wird, helfe ich ihr beim Zubettgehen.«
Camilla wusste nicht, wie sie sich für die Gastfreundschaft bedanken sollte. Bei ihrer Ankunft hatte sie sich unwohl gefühlt und auch die Beklommenheit der anderen Gäste gespürt, die offenbar Mitleid empfanden, weil sie ihren einundzwanzigsten Geburtstag unter Fremden feiern musste. Allerdings war Camilla klar, dass diese Einladung Marina ebenso galt wie ihr, und sie war froh darüber. Sie umarmte Claudia.
»Danke«, sagte sie. »Danke für alles, was du für uns getan hast, und auch für deine weisen Ratschläge.«
Nachdem sie ihre Mutter auf die Wange geküsst hatte, nahm sie Mantel und Handtasche und folgte Roberto zur Garage. Er hatte einen stromlinienförmigen Wagen und fuhr ziemlich schnell und mit offenen Fenstern. Unwillkürlich berührte Camilla ihren Pony, der zurückgeweht worden war, sodass ihre Narbe sichtbar wurde. Roberto warf ihr einen Seitenblick zu, sagte aber nichts. In der Stadt herrschte noch reger Verkehr. Sie parkten den Wagen halb auf dem Gehweg in einer belebten Straße. Mittlerweile war es kalt geworden, weshalb Camilla froh war, dass Roberto sich rasch für eine Bar
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