Himmel uber Langani
kann es Hannah nützen, es jetzt zu hören?«
»Es könnte dadurch leichter werden, den Täter aufzuspüren«, schluchzte Camilla.
»Und gleichzeitig würde alles zerstört, was die Familie des armen Mädchens noch zusammenhält. Willst du ihr das wirklich antun? Die Akte ist geschlossen, und ich finde, es bringt niemanden weiter, wenn wir sie wieder öffnen.«
»Du solltest jetzt besser gehen, Daddy. Ich möchte mich hinlegen und eine Weile allein sein. Nein, nein, ich will jetzt nicht mehr darüber reden. Nicht jetzt.«
Nachdem er sich widerstrebend verabschiedet hatte, verbrachte sie den restlichen Vormittag in abgrundtiefer Verzweiflung. Sie glaubte, in einem See aus Trauer und Einsamkeit zu versinken, während Wellen der Reue über ihr zusammenschlugen. Obwohl sie sich vor Erschöpfung bleischwer fühlte, zwang sie sich, sich anzuziehen, und überlegte, was sie tun oder wohin sie gehen sollte, um sich von ihrem Schmerz abzulenken. Aber ihr fiel nichts ein. Als sie gerade in ihren Mantel schlüpfte, läutete das Telefon.
»Camilla, dein Vater hat mich endlich erreicht und mir erzählt, was geschehen ist. Wie kann ich dir helfen?«
Edwards Stimme war das einzig Beständige an diesem schrecklichen Morgen, und Camilla versuchte, sich von seiner Ruhe anstecken zu lassen. Doch als sie etwas antworten wollte, versagte ihr die Stimme, und sie konnte nur noch in den Hörer schluchzen. Nach einer Weile legte sie auf und warf sich aufs Bett. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie ein Klopfen hörte. Mühsam schleppte sie sich durchs Wohnzimmer und fuhr sich dabei über das tränennasse, verschwollene Gesicht. Es erstaunte sie nicht, ihn zu sehen.
»Ich bin hier, um dich mit in die Charles Street zu nehmen«, begann er ohne Begrüßung. »Ich gebe dir ein Beruhigungsmittel, damit du den Tag besser überstehst, und falls du etwas brauchst, wird meine Haushälterin es dir bringen. Gegen sechs bin ich wieder zu Hause. Dann können wir reden oder etwas unternehmen, falls du möchtest. Aber du solltest jetzt nicht allein sein.«
Seine Wohnung war geräumig und so geschmackvoll eingerichtet wie seine Praxis. Nachdem er es ihr im Gästezimmer gemütlich gemacht hatte, gab er ihr zwei Tabletten und ein Glas Wasser. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt, als sie sich ins Bett legte und sich von ihm zudecken ließ. Wenig später war sie eingeschlafen. Bei seiner Rückkehr kurz vor sechs saß sie im Wohnzimmer und blickte starr vor Trauer ins Leere. Er nahm ihre Hand. Als er sanft ihre Handflächen küsste, fiel sie ihm um den Hals und lehnte sich an ihn. Zum Weinen oder auch nur zum Denken hatte sie keine Kraft mehr.
»Da ist niemand«, murmelte sie stumpf. »Niemand, den ich lieben kann. Niemand, der mir vertraut, mich liebt oder auf mich baut. Das habe ich ihnen allen und auch mir selbst angetan.«
Nach kurzem Zögern stand er auf und griff nach ihrer Hand. Sie wehrte sich nicht, als er sie ins Schlafzimmer führte und sie aufforderte, sich aufs Bett zu setzen. Dann legte er sich neben sie, streichelte ihr Haar und küsste sie auf die Stirn, wo sich noch immer deutlich die Narbe abzeichnete. Sie umarmte ihn und schmiegte sein Gesicht an ihre Brust. Als seine Küsse feuriger wurden und Mitgefühl sich in Leidenschaft verwandelte, sträubte sie sich nicht, sondern erwiderte seine Zärtlichkeiten. Langsam streifte er ihr die Kleider ab, und sie zog ihn fest an sich. Als er die Hände unter sie schob, hörte er, wie sie immer wieder dieselben Worte murmelte.
»Ich will dich zurück. Ich will dich zurück. Oh, bitte, komm zurück. Komm jetzt zu mir.«
Er wusste, dass dieses Flehen nicht ihm galt, doch es kümmerte ihn nicht. Nun gehörte sie ihm, und er lag noch lange wach neben ihr, um ihr beim Schlafen zuzusehen.
Kapitel 27
Kenia, Januar 1966
A nthony wählte die Nummer der Vermittlung und hielt Sarahs Hand, während die Verbindung zu ihren Eltern in Sligo hergestellt wurde. Auch ihr Entsetzen und ihre liebevolle Anteilnahme konnten Sarahs Trauer nicht lindern, als sie ungläubig schweigend ihrer knappen Zusammenfassung der Ereignisse lauschten. Es war unfassbar für sie, dass Piet einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein sollte. Raphael war erleichtert, dass die Täter seine Tochter verschont hatten. Sarah lebte und war unverletzt, und ihre Sicherheit war das Einzige, was ihn im ersten Moment kümmerte. Erst später gelang es ihm, an das Leid der Familie van der Beer zu denken. Sarah hatte Mühe, die
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