Himmel uber Langani
in der ehemaligen Kolonie erlebt habe, und mache wieder einmal die gefährliche Lage der wenigen verbliebenen weißen Farmer deutlich. Piet van der Beer sei trotz seiner afrikaansen Herkunft britischer Staatsbürger gewesen. Deshalb werde nicht nur die kenianische Polizei, sondern vermutlich auch Scotland Yard gründliche Ermittlungen aufnehmen. Lange starrte Camilla ins Leere, bemüht, sich das grausige Verbrechen, das ihnen Piet genommen hatte, nicht in allen Einzelheiten vorzustellen.
»Was ist mit den anderen?«, fragte sie schließlich und wischte sich die Augen ab.
»Sonst ist niemandem etwas geschehen. Hier steht, er sei von seiner Verlobten gefunden worden.«
»Bist du wirklich sicher, dass das der genaue Wortlaut ist?« Als er nickte, stand sie mühsam auf. »O Gott, bestimmt ist Sarah gemeint. Sie waren verlobt, was sie mir nicht gesagt hat. Ich wusste nichts davon. O Gott. Ich kann es einfach nicht fassen. Und jetzt …« Sie erschauderte, und ihre Stimme erstarb.
»Möchtest du sie anrufen, während ich noch hier bin, mein Kind?«
»Es ist meine Schuld«, flüsterte Camilla. »Sie haben mich um Hilfe gebeten, und ich habe nichts unternommen. Wenn ich schon vor Monaten mit dir gesprochen hätte, wäre es nie geschehen. Du hättest dich darum gekümmert, dass sie Geld für Sicherheitsmaßnahmen bekommen. Und nun ist er tot. Ermordet von einem Wilderer auf seinem eigenen Land, weil ich die Hände in den Schoß gelegt habe. O Gott.« Ihr Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt, sodass sie sich am Fensterbrett festhalten musste.
»Camilla, du kannst doch nichts dafür. Du darfst nicht glauben, dass du auch nur die geringste Verantwortung trägst. Das ist Wahnsinn, mein Kind. Ich denke, du solltest jetzt mit Hannah und Sarah sprechen und ihnen in dieser schrecklichen Situation beistehen. Was hältst du davon, Kind? Soll ich anrufen?«
»Nein, nein«, protestierte Camilla und sank händeringend in einen Sessel. Die Wucht der Trauer war übermächtig. »Ich kann nicht mit ihnen sprechen. Nie wieder werde ich diese Nummer wählen, denn ich weiß, dass er nicht mehr an den Apparat kommen kann. Wir werden nie mehr seine Stimme hören, und sie werden es mir nicht verzeihen.«
George holte eine Flasche Brandy aus dem Schrank, schenkte einen ordentlichen Schluck ein und wollte ihr das Glas reichen. Aber sie achtete nicht darauf, sondern saß nur mit hängenden Schultern und die Arme um den Leib geschlungen da und wiegte sich hin und her. Nach einer Weile wurde sie ruhiger, und schließlich sah sie ihren Vater mit stumpfem, verstörtem Blick an.
»Zeig mir die Zeitung«, sagte sie.
Er gab sie ihr und beobachtete sie, während sie den Artikel las. Als sie fertig war, erhob sie sich.
»Verrat es mir«, begann sie. »Hat es mit dem zu tun, was Jan van der Beer getan hat?«
»Camilla … ich darf nicht …«
»Jetzt mach schon den Mund auf, verdammt!«, schrie sie. »Erzähl mir, was Mutter weiß. Ich kann nicht weiterleben, ohne die Wahrheit zu kennen.«
Schwer ließ sich George in einen Sessel fallen. »Jan hat einen Mann getötet«, erwiderte er. »Während der Mau-Mau-Aufstände, als er in den Aberdares die Banden durch den Wald verfolgte.«
»Aber es war doch Krieg«, entgegnete Camilla. »Britische Soldaten wurden zu Hilfe gerufen. Und sie haben getötet. Auch afrikanische Polizisten hatten Menschen auf dem Gewissen.«
»Die Tat war besonders grausam«, erklärte George, »denn der Mann wurde gefoltert. Ohne die Amnestie wäre Jan vermutlich wegen Mordes angeklagt worden. Kurz vor der Unabhängigkeit war eine schwarze Liste im Umlauf, auf der auch sein Name stand.«
»Also war Piets Ermordung ein Racheakt?«
»Es sieht ganz danach aus, obwohl ich auch nicht sicher bin. Und wenn das stimmt, hätte niemand von uns den Mord verhindern können.«
Camilla lief im Zimmer auf und ab und blieb schließlich vor ihrem Vater stehen.
»Hannah muss erfahren, was damals passiert ist«, verkündete sie. »Ich werde es ihr sagen. Dann hat die Polizei wenigstens einen Anhaltspunkt und ein Motiv.«
»Nein, ich halte es für falsch, mit Hannah zu sprechen. Sie hat gerade ihren Bruder verloren. Und jetzt möchtest du ihr unter die Nase reiben, dass ihr Vater ein Mörder ist und möglicherweise für den grausigen Tod seines Sohnes die Verantwortung trägt? Weder Jan und Lottie haben ihren Kindern je reinen Wein eingeschenkt, so viel ist an jenem verhängnisvollen Abend in Mombasa klar geworden. Was also
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