Himmel uber Langani
nach Cheltenham gehen sollen wie ich! Stattdessen hast du eine spießige Klosterschule mitten in Afrika für sie ausgesucht. Was soll sie nächstes Jahr in Europa anfangen, wo sie niemanden aus den richtigen Kreisen kennt? Und sieh dir ihre Freundinnen an, um Himmels willen!«
»Was stimmt mit ihnen nicht?«
»Wir haben gerade eine Woche mit diesem einfachen Mädchen verbracht, deren Vater irgendein Provinzdoktor ist. Ein Niemand! Ich kann nur Gott danken, dass uns nicht auch noch das Bauernmädchen aufgehalst wurde. Zumindest war Camilla so klug, mich nicht zu fragen, ob sie auch sie einladen könnte. Und jetzt sollst du einen Buren retten, der wahrscheinlich nicht einmal richtig Englisch spricht und in seinem ganzen Leben noch kein Buch gelesen hat. Unfassbar.«
»Allmächtiger, Marina, es kann nicht jeder so borniert sein wie du.«
»Sicher sind meine Ansichten nicht liberal genug für den Lebensstil, den du bevorzugst. Du bist nicht bereit zuzugeben, wie widerwärtig deine …«
»Halt den Mund«, zischte George durch die Zähne und schlug hörbar mit der Hand auf den Tisch. »Sei still oder geh, ein für alle Mal, damit wir uns endlich nicht mehr gegenseitig quälen müssen. Ich tue mein Bestes, aber heute Abend ertrage ich das nicht mehr. Ich gehe schlafen.«
»Nein. Nein, George! Bitte geh nicht weg.« Marinas Stimme klang hysterisch. »Darin bist du ein Meister. Nie versuchst du, unsere Probleme zu lösen …«
»Dafür gibt es keine Lösung, Marina. Wirst du das denn nie begreifen? Verdammt, du nachtragendes Biest, du wirst mich nie verstehen oder mir auch nur einen Augenblick Frieden in meinem Leben gönnen. Du lebst nur für deine Rache.« Er schien den Tränen nahe, und eine Weile herrschte verzweifelte Stille. »Du solltest besser einen Blick in deinen Terminkalender werfen und überlegen, wohin du morgen gehen willst.«
Marina drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. George ließ sich auf einen Sessel fallen und blieb einen Moment lang unentschlossen sitzen. Dann stand er auf, durchquerte die Eingangshalle und rief die Treppe hinauf.
»Marina? Marina, es tut mir Leid. Ich komme jetzt nach oben. Ich muss nur noch meine Brille suchen.«
Als er zurück in das Arbeitszimmer ging, ließ ihn eine Bewegung stutzen. Er drehte sich um und erblickte seine Tochter und Sarah, die wie angewurzelt vor ihm standen.
»O Gott! Nimmt das denn kein Ende?« Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Sein Gesicht wirkte traurig und abgekämpft. »Camilla, mein Liebling, es tut mir Leid. Ich hatte doch keine Ahnung. Ich wusste nicht, dass … Gott, was für ein verdammtes Desaster!«
Kapitel 4
Kenia, Dezember 1962
S ie fuhren durch einen Hain von Kokospalmen und Cashewbäumen auf der Straße, die zur Fähre führte. Eigentlich war es eher eine Art Trampelpfad, der sie an den Klippen entlang zur Bootsrampe brachte. Sarah entdeckte die Fähre, die sich schwerfällig ihren Weg durch den Kanal bahnte, der die Insel Mombasa vom Festland und den blendend weißen Stränden der Südküste trennte. Sie musterte ihren Bruder, der sich im Rückspiegel betrachtete und sein drahtiges Haar glatt strich. Schwankend und scheppernd legte die Fähre am Kai an und spie dann langsam Autos, Fahrräder und Passagiere aus. Armer Tim! Bei Camilla hatte er keine Chance.
Im Flughafengebäude ließen sie sich unter den staubigen Flügeln eines hölzernen Deckenventilators auf einer Bank nieder. Als das Flugzeug endlich gelandet war, beobachtete Sarah, wie ihr Bruder jedes Detail von Camillas schicker Erscheinung aufsog, als sie die Rollbahn betrat – ihre knapp sitzende khakifarbene Hose, den geflochtenen Ledergürtel um ihre schmale Taille und die weiche cremefarbene Bluse. Ihre zarten Füße steckten in Ledersandalen, und ihre Fußnägel waren pinkfarben lackiert. Sarah wurde sich bewusst, dass sie eine verknitterte Bluse trug und ihre Leinenschuhe vom Laufen auf dem Riff abgewetzt waren. Ihr vom Wind getrocknetes Haar war kraus, und ihre sonnenverbrannte Nase schälte sich.
Tim schwänzelte um Camilla herum, nahm ihr die Tasche ab, öffnete ihr die Wagentür und fragte sie, ob sie bequem sitze, wobei er seine Hand einen Moment lang auf ihrem nackten Arm liegen ließ. Genau wie Piet! Rasch verdrängte Sarah diesen Gedanken. Sie wollte nicht, dass ein schmerzliches Gefühl diese letzten, gemeinsam verbrachten Ferien trübte. Anschließend würden sie weit voneinander entfernt ihre Ausbildung fortsetzen. Sarah kletterte in
Weitere Kostenlose Bücher