Himmel uber Langani
Biest? Begreifst du nicht, was du heute Abend mit deinen teuflischen Spielchen angerichtet hast? Du denkst niemals an andere, am allerwenigsten an deine Freunde. Weil wir nicht wichtig sind, außer wenn es darum geht, dich in deinem ewigen Krieg mit deiner Familie zu unterstützen. Niemand ist wirklich wichtig in deinem verdammten, verkorksten Leben. Nur du selbst.«
»Nein. O nein. Es tut mir so Leid. Wirklich.« Camilla lehnte sich zitternd gegen einen Tisch. »Ich wollte niemanden verletzen. Ich war nur so schockiert, als ich sie gesehen habe. Zusammen. Auf diese Weise. Und Daddy … Immer macht sie alles kaputt, wenn ich glücklich bin, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich schaffe es einfach nicht. Immer gibt es …«
»Du wirst Lehrgeld bezahlen müssen!« Tim packte ihre mageren Schultern und schüttelte sie. »Denn eines Tages wird der heftige Gegenschlag kommen, und du wirst einen hohen Preis dafür zahlen, deine Freunde für deine krankhaften, schrecklichen Plänen benutzt zu haben. Du wirst eine unglückliche Frau werden, genauso wie deine Mutter. Aber dann komm nicht zu uns und bitte um Hilfe.«
»Ich wollte sie doch nur erschrecken. Sie für das bestrafen, was sie Daddy angetan hat.« Camilla unternahm keinen Versuch, die Tränen wegzuwischen, die ihr mittlerweile über das Gesicht liefen. »Für das, was sie ihm und mir all die Jahre angetan hat. Ich wollte, dass sie dafür bezahlt, wie sie uns alle behandelt hat. Nur das war meine Absicht. Bitte, bitte versucht doch, mich zu verstehen.«
Piet stand da wie zu Stein erstarrt. Sein Gesicht war weiß, und seine Lippen bildeten eine dünne, zuckende Linie. Dann nahm er Camilla bei der Hand.
»Komm, Lady Camilla«, sagte er. »Wir sollten nach Hause gehen. Wir sollten alle heimgehen und uns beruhigen.«
Aber Sarah brachte es nicht über sich, den anderen zu folgen. Tim rief ihren Namen, als sie sich rasch von der Gruppe entfernte und zur Damentoilette rannte. Sie schloss die Tür hinter sich ab. Dann glitt sie auf den Boden, lehnte sich gegen die gekachelte Wand der Kabine und schluchzte, bevor sie all ihre törichten Träume in die kalte weiße Schüssel erbrach.
Kapitel 7
Rhodesien, April 1965
H annah schlug die Fliegengittertür zu und setzte sich auf die Stufen der Veranda. In der Mittagshitze wirbelte der Wind verdorrte Blätter mit einem trockenen Rascheln in die Luft und erstarb dann in der glühenden Stille. Vor der Veranda befand sich ein kleines Feld, auf dem dank Lotties Bemühungen Ansätze eines Gartens zu erkennen waren. Sie hatte Bougainvilleen, Portulakröschen und Immergrün angepflanzt, um der Umgebung des graubraunen Bungalows ein wenig Farbe zu verleihen. Dahinter lagen Tabakfelder, Meilen von grünen Stängeln, deren breite Blätter im Wind raschelten und Geheimnisse durch die Reihen flüsterten. Hoch über ihr an dem messingfarbenen Himmel hielt ein Turmfalke Ausschau nach Beute. Einmal war er bereits nach unten gestoßen, hatte eine Maus mit seinen Krallen gepackt und sie an einen verborgenen Ort gebracht, um sie zu verschlingen.
Wie ich, dachte Hannah. Eine arme, hilflose Maus, die ohne Warnung aus ihrer Umgebung gerissen und verschluckt wurde. Wie hatte ihr Pa das nur antun können? Sie an diesen gottverlassenen Ort zu bringen, ohne sie zu fragen. Ihre flehentlichen Bitten, bei Piet bleiben zu dürfen, hatte er einfach ignoriert. Während der letzten Tage in Langani war er wie versteinert gewesen. Er hatte in seinem Büro oder im Wohnzimmer gestanden und schweigend aus dem Fenster gestarrt, sich einen Whisky nach dem anderen eingeschenkt und ihn heruntergekippt, als ob er den Geschmack nicht wahrnehmen würde. Wie hatte Ma das zulassen können? Hannah wusste, dass es ihrer Mutter das Herz gebrochen hatte. Sie erinnerte sich an den Tag, als sie die Farm verlassen hatten. Wie schrecklich hatte sie sich gefühlt, hin- und hergerissen zwischen ohnmächtigem Zorn und Niedergeschlagenheit. Wie sie bei Sonnenaufgang in den Garten gegangen war und die Berge betrachtet hatte. Sie hatte das hölzerne Geländer auf der Veranda berührt und seine rauen, angenehmen Rundungen ertastet und alle Kindheitserinnerungen in sich aufgesogen, die ihr nun genommen wurden. Und dann hatte sie Lottie entdeckt. Sie kniete in einem Blumenbeet, streichelte die Pflanzen mit zitternden Fingern und flüsterte ihnen etwas zu, das Hannah nicht verstehen konnte, während ihr Tränen über die Wangen liefen. Hannah hatte sich davongeschlichen,
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