Himmel uber Langani
den Mau-Mau getötet wurden. Nur wenig Weiße wurden ermordet. Aber sie wollen nicht daran denken, was die Kikuyu einander angetan haben, wie sie ihre Brüder und Vettern massakriert haben, die den Eid nicht leisten wollten, wie sie ihre eigenen Frauen vergewaltigt, gequält und getötet haben, wenn diese sich weigerten, Essen zu den Banden zu bringen, die sich in den Wäldern versteckt hielten. Sie erinnern sich nur daran, was der weiße Mann dem schwarzen Mann angetan hat.«
»Also sprach sie über die Mau-Mau«, stellte Hannah fest.
»Ja, das stimmt. Daher können wir ihre Worte nicht einfach vergessen, Hannah, und so tun, als sei nichts geschehen. Dein Vater hat Langani verlassen, damit Piet die Farm behalten und sich dort ein eigenes Leben aufbauen kann, wie schon Generationen vor ihm. Es bedeutet ihm alles. Pa wusste das und gab seine eigene Zukunft dort auf, um deinen Bruder zu schützen.«
»Piets Zukunft? Das ist alles, woran ihr beide denkt! Piets Zukunft! Piet besucht das College in Südafrika. Piet geht nach Schottland, um sein Studium dort zu beenden. Piet bleibt auf Langani. Pa gibt alles auf, um die Farm für Piet zu retten! Versteh mich nicht falsch, Ma, ich liebe Piet, und ich bin froh, dass er all diese Chancen bekommt. Aber was ist mit mir? Denken du und Pa niemals an meine Zukunft? Ihr habt einen Verwalter eingestellt, den ihr kaum kennt, damit er sich während Piets Abwesenheit um Langani kümmert, und ihr habt eure Heimat aufgegeben für dieses – dieses Drecksloch!«
»Hannah!«
»Nein, warte! Ihr habt Piet das Studium in Schottland bezahlt, und Pa hat hier einen lausigen Job, den er hasst. Er lässt sich als billige Arbeitskraft ausbeuten und geht in den Busch, um für eine verlorene Sache zu kämpfen – für ein Stück Land, das ihm nicht gehört. Solange er hier bleibt, hat er keine Chance auf ein besseres Leben. Und für mich ist in unserem Schatzkästchen nichts übrig geblieben. Oder? Stimmt das nicht, Ma? Kein Geld für mich, um eine Universität in Südafrika zu besuchen oder irgendwohin zu gehen, um irgendetwas zu tun! Alles, was ich bekommen habe, ist ein blöder Kurs in Wirtschaft an einer zweitklassigen Sekretärinnenschule am Ende der Welt. Ich lebe hier inmitten von Tabakfeldern mit Ratten und Kakerlaken und habe keine Zukunft! Verstehst du mich? Ich wollte Kenia nie verlassen. Du wusstest das, wolltest aber nicht zulassen, dass ich in Nairobi bleibe und dort den Kurs mache. Dann hätte ich anschließend nach Langani zurückkehren können, sobald Piet wieder da war. Ich hätte ihm helfen können. Warum durfte ich nicht dort bleiben?«
»Hannah, Hannah, wir haben das alles bereits besprochen. Wir konnten dich nicht allein in Kenia zurücklassen. Du warst zu jung, und es gab nicht genug …«
»Genau. Es gab nicht genug Geld für mich, weil ihr alles in Piets verdammte Zukunft gesteckt habt!«
»Hannah! Pass auf, was du sagst! Das reicht jetzt. Pa und ich haben versucht, das Beste für dich zu tun.«
»Ach ja? Und was ist das Beste für mich? Hier zu bleiben und mit anzusehen, wie Pa sich zu Tode säuft und uns beiden das Leben zur Hölle macht? Wir müssen uns mit seinen Launen und seinem Selbstmitleid abfinden, weil er vor Jahren etwas getan hat, was ihn nun verfolgt. Ist es das? Du solltest das nicht zulassen – du darfst nicht dulden, dass er dich so behandelt. Wenn er sich nicht beherrschen kann, dann solltest du ihn verlassen, und ich sollte das auch tun. Wir beide sollten von hier fortgehen. Jetzt. Heute!«
Lottie hatte voll Mitgefühl die Hand ausgestreckt und war zusammengezuckt, als Hannah zurückwich.
»Mein armes kleines Mädchen«, sagte sie leise. »Du bist noch so jung und siehst alles nur in Schwarz und Weiß. Wenn du älter bist, wirst du erkennen, dass nicht alles so eindeutig ist.«
Hannah hatte das Gefühl, der Kopf würde ihr vor Wut und Enttäuschung zerspringen. Nur mit Mühe konnte sie an sich halten. Sie hatte Angst davor, was sie noch sagen würde, wenn sie blieb.
»Du kannst weiterhin mit Scheuklappen herumlaufen, wenn dir das gefällt, Ma. Aber ich habe die Nase voll von diesem Ort. Ich habe alles hier satt. Und jetzt gehe ich.«
Lottie war ihr nicht gefolgt, und dafür war sie dankbar. Sie schämte sich für ihren Wutausbruch, aber sie war dazu gezwungen worden, wie sie, immer noch grollend, feststellte. Jan war immer ihr Held gewesen, stark und mächtig. Er hatte ihr beigebracht, was richtig war. Aber diese Frau hatte behauptet, ihr
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