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Himmel uber Langani

Himmel uber Langani

Titel: Himmel uber Langani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara und Stefanie Keating
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unfähig, das Leid ihrer Mutter länger mit anzusehen. Und als die Zeit zum Aufbruch gekommen war, hatte sie ihrem Vater mit einem letzten flehentlichen Blick in die Augen gesehen, darin jedoch nur Erschöpfung und Verzweiflung wahrnehmen können. In Panik hatte sie sich umgedreht, war von dem Wagen weggelaufen und hatte sich in ihrem alten Zimmer versteckt, bis Piet gekommen war und sie vom Bett gezogen hatte.
    »Du musst jetzt tapfer sein«, hatte er gesagt. »Es ist auch für sie sehr schwer – vielleicht sogar noch schwerer als für dich. Sie brauchen jetzt deine Hilfe.«
    Sie hatte ihn anschreien wollen, dass für ihn ja alles in Ordnung war. Er blieb und musste sich nicht von allem verabschieden, was er seit jeher liebte. Er musste nicht mit Ma und Pa fortgehen, die offensichtlich selbst von Kummer überwältigt waren. Warum wurde gerade sie entwurzelt und musste mit ihnen gehen?
    Sie konnte immer noch nicht begreifen, warum sie an diesen schrecklichen Ort gezogen waren. Sie verabscheute ihn! Verabscheute ihn wegen all der Leiden, die er ihr und ihren Eltern zufügte. Und sie hasste das Gefühl des Neids und der Verbitterung, das sie empfand, wenn sie von den anderen hörte. Sarah schrieb ihr oft – lange Briefe, in denen sie ausführlich von den Neuigkeiten des Studentenlebens an der Universität in Dublin berichtete. Und Piet schickte knappe Mitteilungen an seine kleine Schwester, die sie vor Zorn und Sehnsucht beinahe verrückt machten. Am schlimmsten waren jedoch die witzigen Postkarten von Camilla, die ihr nicht wirklich etwas sagten, sondern nur von einem aufregenden, mondäne Leben kündeten.
    Ich werde hier sterben, dachte Hannah. Ich werde vertrocknen wie diese verdorrten Blätter hier. Der Wind wird mich wegwehen, und man wird mich vergessen. Oder, noch schlimmer, ich werde alt und fett werden wie diese Kuh Mrs. van Riebeck. Dann wird es nicht der Wind sein, sondern ein Kran, der mich davonträgt. Ich werde nach Schweiß stinken, eingehüllt in eine Wolke Veilchenparfum, und in einem formlosen Baumwollkleid und einer Schürze mit einem grauenhaften Blumenmuster unter meinem Hängebusen durch die Gegend watscheln. Meine Güte, was für ein grässlicher Gedanke! Und sie werden mich mit einem Kretin wie Billy Kovaks verkuppeln, der ständig schnieft. Allein der Gedanke, ihn zu küssen! Schwabbelige, nasse Lippen und Hände, die mich begrapschen und sich anfühlen wie tote Fische. Bei dieser Vorstellung schüttelte sie sich heftig, doch dann musste sie grinsen. Nun, zumindest war das etwas, was sie Sarah schreiben konnte. »Dies sind meine grauenhaften Tagträume. Sind sie nicht furchtbar?« Wirklich schlimm war jedoch, dass sie nichts anderes zu erzählen hatte. Nur eine beängstigende Vorstellung von ihrer Zukunft, die keinerlei Perspektiven bot. Und auf der anderen Seite der Erde entdeckten ihre Freunde und ihr Bruder das wirkliche Leben. Das war einfach ungerecht.
    Pa trank wieder. Sein Atem roch säuerlich, und seine Augen waren leer und blutunterlaufen. Heute hatte er Lottie angeschrien, bevor er wieder einmal mit seinem Cousin auf Patrouille ging. Auf Langani hatte er niemals seine Familie angeschrien. Wie konnte Ma das jetzt nur ertragen? Hannah brachte es kaum noch fertig, in das Gesicht ihrer Mutter zu blicken. Ihre Miene war verkniffen vor Gram, und in ihren Augen lag Traurigkeit, aber gleichzeitig auch Verständnis. Doch es hatte keinen Sinn, freundlich und verständnisvoll zu sein – warum begriff sie das nicht? Das machte ihn nur noch zorniger und ermutigte ihn, sich in Selbstmitleid zu ergehen. Er sollte sich zusammenreißen und nicht länger in diesem elenden Loch verstecken, wo die Arbeit überhaupt nicht mit dem zu vergleichen war, was er zu Hause geleistet hatte. Es war noch nicht einmal seine eigene Farm. Sein Cousin, Kobus van der Beer, behandelte ihn wie einen Sklaven. Ihr Pa war jetzt Aufseher auf einer Tabakplantage, ein Arbeiter, der Befehle von einem groben, bulligen Mann entgegennehmen musste, der nichts als Stroh im Kopf hatte. Pa sollte sich wieder auf seinem eigenen Land befinden und dort Vieh züchten und Getreide anbauen. Als sie darüber gesprochen hatten, hatte Jan erwidert, dass sein Name auf einer Liste stehe, weil er gegen die Mau-Mau gekämpft habe. Und dass diese Kaffern sich daran erinnern würden. Er meinte, Langani hätte nach der uhuru enteignet werden können, wenn er dort geblieben wäre. Mittlerweile war dieses Thema tabu, und die Möglichkeit einer

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