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Himmel uber Langani

Himmel uber Langani

Titel: Himmel uber Langani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara und Stefanie Keating
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hatte.
    »Die Wilden sollen bleiben, wo sie hingehören, oder?« Ein anderer Gast gab eine plumpe Imitation eines britischen Offiziers zum Besten.
    »Komm schon, Sarah«, sagte Mike, als er sah, dass sie wütend die Stirn runzelte. »Ist es wirklich fair, dass ihr eure Bediensteten wie Vieh in einer Koppel haltet und von ihnen erwartet, dass sie Tag und Nacht euren Befehlen gehorchen, für euch kochen und putzen und dabei zusehen, wie ihr ein Leben in Luxus führt? Zumindest im Vergleich zu ihrem eigenen Leben. Ist es richtig, dass sie euch ein Vier-Gänge-Menü servieren, während sie sich mit ihrem Brei zufrieden geben müssen? Wie heißt das Maiszeug?«
    » Posho. Es ist das Gegenstück zu den Kartoffeln, die wir essen«, erwiderte sie zornig.
    »Richtig, posho . Posho und billiges Fleisch. Aber natürlich bekamen sie zu Weihnachten immer ein Geschenk und einen Bonus, nicht wahr? Mussten sie sich am Weihnachtsmorgen nicht immer alle in der Eingangshalle versammeln?«
    »Im Wohnzimmer. Dad gab jeder Familie ein Kuvert mit Geld, und von Mum bekamen sie etwas zu essen – irgendetwas Besonderes, das sie sich normalerweise nicht leisten konnten. Außerdem gab es Kleidung für jeden und Spielsachen für die Kinder.« Während ihrer Aufzählung kam es ihr so vor, als würden die Geschenke und die Freude der Beschenkten mit einem Mal wertlos. »Es ist das Gleiche, was ihr hier macht. Wie bei St. Vincent de Paul oder …«
    »St. Vincent de Paul unterstützt Menschen, die verzweifelt sind, weil sie nicht arbeiten können oder weil sie alt und allein stehend und bedürftig sind. Sie werden nicht ständig in Knechtschaft gehalten«, warf Tom Russell ein.
    »Das stimmt«, stieß Mike triumphierend hervor. »Ein paar Münzen und ein bunter Stofffetzen. Der gerechte Lohn für ihre Mühe.«
    Sarah spürte, wie sich ihre Wangen vor Zorn röteten. Sie kam sich vor wie ein Insekt unter einem Mikroskop, das unter einem riesigen, kritischen Auge zappelte. Warum konnte sie diesen Leuten ihren Standpunkt nicht begreiflich machen?
    »Es war niemals ein Problem«, erklärte sie. »Das Leben war einfach so.«
    Aber die Gäste hatten das Interesse an dem Thema verloren und wandten sich wieder dem hiesigen Klatsch und ihrem Whisky zu. Mike zuckte nur die Schultern und bedachte sie mit diesem überheblichen Lächeln, das sie immer in Wut versetzte, wenn sie Streit hatten. Was wusste er denn schon darüber? Wahrscheinlich war er in seinem ganzen Leben über Belfast oder London nicht hinausgekommen. Der Rest des Abends zog sich wie in Zeitlupe quälend langsam dahin. Als er sie nach Hause brachte, stieg sie wortlos aus seinem Wagen. Danach herrschte eine gewisse Kühle zwischen ihnen, und sie war erleichtert, als er die Nachtschichten im Obdachlosenheim aufgab, um sich auf sein Examen vorzubereiten.
    Aber seine Bemerkungen hatten sie getroffen, waren wie ein langsam wirkendes Gift in ihre Gedanken eingedrungen, hatten Selbstzweifel und in ihr geweckt und sie ins Grübeln gebracht. Sie dachte an ihre sorglose Kindheit, unberührt vom Leben der Afrikaner, in deren Land sie gelebt hatte, ohne zu wissen, wie diese wirklich über ihre weißen Herrschaften dachten. Sie begann ihre Erinnerungen an manche Dinge zu hinterfragen – etwa an das fröhliche Lächeln der Bediensteten ihrer Familie und ihre offensichtliche Zufriedenheit mit ihrem Leben, an ihren Stolz, für den Bwana Daktari [32] zu arbeiten, und den Respekt, den sie ihm entgegenzubringen schienen. War das alles wirklich echt gewesen, oder war sie einfach davon ausgegangen, dass sie glücklich waren? Sie dachte an Lona, die Tochter von Walter, ihrem Koch. Sie waren im gleichen Alter gewesen und hatten zusammen im Garten oder im Lager der Bediensteten gespielt, wo Lonas Mutter in der Sonne saß, gehüllt in ein buntes kanga ein Baby an ihre üppige Brust gebunden, und posho für das Abendessen zubereitete. Sie sang immer bei der Arbeit, und wenn sie lächelte, blitzten weiße Zähne in dem schwarzen Gesicht auf. Sie roch anders, und Sarah hatte Betty einmal nach dem Grund dafür gefragt. Ihre Mutter meinte, wahrscheinlich läge es an der Ernährung. Jetzt, da sie daran dachte, glaubte sie beinahe einen Hauch von posho und dem Stoff des kanga wahrzunehmen, den milchigen Duft des Babys und den beißenden Geruch der heißen Haut in der Sonne. Mit sechs Jahren war Lona an einer Lungenentzündung gestorben. Ihre Mutter hatte sie zuerst zu einem Medizinmann gebracht, weil sie glaubte, das Kind

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