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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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mit einem leisen Grollen darin, wie das drohende Fauchen einer Löwin, die ihre Familie in Gefahr sieht.
    »Umso besser. Ein Schwertstoß, und die Schande, die ihr beide über unsere Familie und unsere Kaste gebracht habt, ist getilgt«, antwortete er ungerührt und zeigte in diesem Augenblick zum ersten Mal große Ähnlichkeit mit seinem Vater, dem Raja.
    Unsanft stieß Winston Sitara beiseite und sprang auf, baute sich zu seiner ganzen Größe vor Mohan Tajid auf und fixierte ihn.
    »Tu es, wenn du musst, aber lass sie gehen.«
    Mohan musterte ihn eindringlich, richtete langsam das Schwert auf ihn. Winston machte keine Anstalten, ihn anzugreifen oder auszuweichen, auch nicht, als er spürte, wie sich die metallene Spitze durch sein Hemd drückte und nur ein Hauch, ein zu tiefer Atemzug in seine Haut ritzen
würde.
    »Du Narr würdest wirklich dein Leben für eine kleine Schwarze hergeben, die dir ein paar vergnügliche Stunden bereitet hat?« Er spie das englische Wort, hart im geschmeidigen Fluss des Hindustani, förmlich aus.
    »Sie ist Sitara, und sie ist deine Schwester«, entgegnete Winston scharf, und er sah, wie Mohan Tajids Blick den Bruchteil einer Sekunde flackerte und zu Sitara wanderte.
    »Wir lieben uns, Mohan«, hörte Winston ihre Stimme hinter seinem Rücken, weich und noch unnachgiebig. »Es war vorherbestimmt, und du weißt das.«
    Verärgert steckte Mohan das Schwert zurück in die Scheide.
    »Ja, ich weiß es, und ich wusste von jenem Moment an, als er die Schwelle zum Thronsaal betrat, dass er Unheil über unser Haus bringen würde.« Langsam sah er von einem zum anderen, seine dichten, kohlschwarzen Augenbrauen zusammengezogen. »Wie konntet ihr nur so leichtsinnig sein? Wisst ihr nicht, was der Raja euch antun wird, sollte er davon erfahren? Und er wird es erfahren – ich bin gewiss nicht der Einzige, der bemerkt hat, wie sehr du dich verändert hast«, fuhr er Winston an. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Spione des Rajas dir hierher folgen werden, so wie ich es heute Nacht getan habe!«
    Sitara war aufgestanden und nahm ihren Bruder bittend beim Arm.
    »Hilf uns, Mohan! Hilf uns, von hier zu fliehen – irgendwohin.«
    Mohan löste den Blick von seiner Schwester und sah Winston an, las den gleichen Wunsch in dessen Augen und schüttelte langsam den Kopf.
    »Ihr seid völlig verrückt. Selbst wenn es mir gelänge, euch hier heil herauszubringen – wo wollt ihr hin? Der Palast ist meilenweit nur von Wüste umgeben, und ihr werdet nirgendwo willkommen sein. Der Arm des Rajas reicht weit!«
    »Indien ist groß«, entfuhr es Winston rau. Mohan lachte verächtlich auf.
    »Aber nicht groß genug!« Grob packte er seine Schwester an der Schulter und schüttelte sie leicht. »Wohin ihr auch geht, du wirst immer die Hure des Sahibs sein, eure Kinder Bastarde. Willst du das?«
    In Sitaras Augen funkelten Tränen, aber auch ein unbeugsamer Wille.
    »Du, er und ich wissen, dass es nicht so ist. Das muss genügen.«
    Winston sah, wie Mohan Tajid mit sich rang, und er konnte nach allem, was er über Ehre und Tradition der Rajputen wusste, nur vage erahnen, was in ihm vorgehen mochte. Auch wenn es ihm widerstrebte, so musste er Mohan Recht geben. Beziehungen zwischen den Kolonialherren und ihren Untertanen waren auf beiden Seiten nicht gern gesehen, die Abkömmlinge einer solchen Verbindung als Bastarde gebrandmarkt. Er wusste, dass er in den Augen der Hindus und mehr noch derjenigen der Rajputen Sitara entehrt hatte, nicht allein dadurch, dass ihre Verbindung nicht durch eine Eheschließung sanktioniert, sondern vor allem, weil er weiß war. Und auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, wie ihr Leben außerhalb der Palastmauern weitergehen würde, so war ihm der Gedanke an ein Leben ohne Sitara erst recht unvorstellbar und unerträglich.
    Blitzartig schnellte Mohan Tajids geballte Rechte nach vorne und verpasste Winston einen Kinnhaken, dass dieser eher vor Überraschung denn Schmerz zu Boden ging, ehe er ihm die gleiche Hand entgegenstreckte und ihm wieder aufhalf.
    »Um der Ehre der Familie Genüge zu tun«, erklärte Mohan Winston nüchtern, während der sich ebenso verdutzt wie wütend den pochenden Kiefer rieb. Ernst sah er Sitara und Winston an. »Ich helfe euch. Aber ich tue es nicht gern und nur unter der Bedingung, dass ich euch begleite. Ihr werdet den Schutz eines Kriegers brauchen.«
    Nur widerstrebend überließ Winston Mohan die alleinige Planung und Organisation ihrer Flucht,

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