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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Mogul-Herrscher größte Mühe, es zu erobern. Die Chand-Rajputen zeigten sich äußerst wehrhaft, bis die Festung nach langer Belagerung endlich fiel, und sie benötigten bald zweihundert Jahre, um es zurückzuerlangen, ehe sie wenig später unter die Herrschaft der Sikhs gerieten.«
    »Chand-Rajputen? Seid ihr – ?«
    »Verwandt? Nicht direkt, nein. Sicher haben wir gemeinsame Vorfahren, da wir beide unsere Herkunft vom Mond und von Krishna ableiten, aber die genaue Verzweigung der beiden Linien liegt im Dunkeln, und es gibt keinerlei Verbindung zwischen ihnen.« Mohan lächelte breit. »Mein Vater, der Raja, war immer erbost darüber, dass die Kangra-Chands sich der ältesten Abstammung aller Chandravanshisrühmen, und diese sehen ihrerseits auf uns Rajputana-Chands als Emporkömmlinge herab, die in ihren Augen keinen vergleichbaren Stammbaum vorzuweisen haben.« Er sah Winston nachdenklich an, aber mit einem funkensprühenden Vergnügen in den Augen. »Es gibt in der Tat keinen besseren Ort, um uns in Sicherheit zu bringen. Eine noch größere Schande, als uns entkommen zu lassen, wäre für den Raja, seine Krieger in das Staatsgebiet der Kangra-Chands zu schicken oder diese gar um Hilfe zu bitten. Uns dort niederzulassen wäre ein äußerst kluger Schachzug.«

10
      S ie erholten sich rasch von den Strapazen ihrer bisherigen Reise, allen voran Sitara. William hatte Mohan und Winston dahingehend beruhigen können, dass ihr Zustand nur auf Erschöpfung und mangelnde Ernährung zurückzuführen war, es dem Kind jedoch gut gehe, und nach wenigen Tagen in Saharanpur war Sitara wieder wohlauf. Außer William wusste niemand, wohin sie auf den drei kräftigen Packpferden aufbrachen, mit reichlich Proviant, einer genauen Karte und dem Nötigsten für die Reise versorgt.
    Sie durchquerten den Rand der Ganges-Ebene entlang der Shivalik-Kette, des Vorgebirges des Himalaya, mit seinen breitblättrigen Sal- und Kapokbäumen, immer entlang der schneebedeckten Gipfel zu ihrer Rechten, die keiner von ihnen zuvor je gesehen hatte und die ihnen den Atem nahmen in ihrer Erhabenheit, ihrer sichtbaren Ewigkeit. Die zahllosen Flüsse und Bäche überquerten sie auf schmalen Brücken, oder sie ließen ihre Pferde an den flachen Stellen hindurchwaten. Oft fand sich ein einsames Gehöft, in dem sie für die Nacht unterkamen und auch gern eine warme Mahlzeit erhielten, und dann und wann konnten sie in einer der kleinen Ortschaften in einer Herberge ein einfaches Lager für die Nacht finden. Besonders Sitara schien Kraft daraus zu schöpfen, im Schatten der Berge endlich ein Ziel für ihre Reise finden zu können – daraus und aus den stummen Zwiegesprächen mit dem Kind, das sie in sich trug, in die sie beständig versunken schien, so sehr in sich selbst zurückgezogen, dass Winston sich oft eines Anflugs von Eifersucht auf das Ungeborene nicht erwehren konnte.
    Ihr Weg stieg an, in eine karstigere, felsigere Landschaft hinein. Nadelwälder krochen wie Moospolster an den Berghängen empor und an anderer Stelle wieder hinab, in die dichten Wälder voller Eichen, Fichten, Tannen, Kiefern hinein, die sich mit felsgesprenkelten Lichtungen abwechselten. Braunbepelzte Nagetiere steckten neugierig ihre Köpfe mit den glänzenden, klugen Augen aus einem Erdloch, ehe sie blitzartig wieder darin verschwanden, und Steinböcke turnten in halsbrecherischen Sprüngen über die Felsen hinweg. Leuchtend prangten reife Beeren aus dem Dickicht entlang der Straße hervor, und Wildblumen säumten ihren Weg. Der Herbst zog ins Land – Schwärme von Streifengänsen und Enten zogen über ihre Köpfe hinweg gen Norden, in Richtung der Seen Kaschmirs; die Nächte wurden merklich kühler, waren oft schon sternenklar, aber die Luft war trocken, und die Tage waren sonnig und warm, und manchmal umflatterte sie noch ein später Schmetterling.
    Irgendwann fiel ihr Weg langsam ab, zog sich zwischen langgezogenen sanften Hügeln hindurch, die sich hier und da zu steilen Felsvorsprüngen auftürmten, auf denen Baumgruppen oder alte Tempel thronten, und von manchen schaute ein verlassener Wachtturm argwöhnisch auf die Straße herab. Sie folgten dem steinigen Bett des Flusses, zwischen Steilwänden hindurch, dann öffnete sich das Tal vor ihnen. Für einen Augenblick hielten sie ihre Pferde an, schauten staunend hinab in die Landschaft, die in nichts dem glich, was sie bisher in ihrem Leben gesehen hatten.
    Wie ein dicker Teppich bedeckten blumengetupfte Wiesen das

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