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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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nahezu unwiderstehlichen Energie, die Ian mitbrachte. Aufseufzend ließ er sich in einen der Sessel fallen, und sofort war Shushila neben ihm und reichte ihm eine Tasse Tee.
    »Lass mir bitte gleich ein Bad ein«, sagte er auf Hindustani zu ihr. Ob es die Art war, wie er sie ansah, wie sie ihm die Tasse reichte und dann den Salon wieder verließ, um seinem Wunsch nachzukommen – was es auch war, in Helena weckte es das Gefühl, dass sich die beiden näher standen, als es für einen Herrn und eine Dienerin üblich war, und es versetzte ihr einen Stich. Und das Funkeln in seinen Augen, als er sie über den Rand der Tasse hinweg ansah, das spöttische Kräuseln seiner Mundwinkel verriet ihr, dass er ihren Gedankengang erraten hatte, ihn sogar genoss, und sie verabscheute ihn dafür.
    In dieser Nacht schlief Helena schlecht; selbst das monotone Rattern der Räder, das Jason neben ihr längst schon in das Reich der Träume geschaukelt hatte, vermochte nicht ihre Gedanken zu übertönen. Die Vorstellung, wie Ian in der Badewanne lag und Shushila ihm die Schultern knetete, um seine vom Ritt verspannten Muskeln zu lockern – wie er sie küsste, seine Lippen über ihren schlanken braunen Hals gleiten ließ, ihre vollen Brüste mit seinen Händen umschloss, sie lustvoll aufstöhnen ließ und schließlich in Richtung seines Bettes zog und sie dabei aus ihrem Sari wickelte –, ließen Helena sich hin und her werfen. Sie wollte nicht daran denken, und doch kehrten diese Bilder immer wieder, aus der Schwärze der Nacht aufsteigend. Leise, um Jason nicht zu wecken, schob sie sich unter der Decke hervor, angelte nach dem roten Paschminaschal mit dem Muster aus gebogenen Tropfen und nahm die heruntergedrehte Lampe, die auf dem Nachttisch stand.
    Auf bloßen Füßen schlich sie über den Gang, in dem neben jeder Tür eine Laterne ein gedämpftes Licht verbreitete. Behutsam schloss sie die Tür des Salons hinter sich. Die Lampe gab nur einen schwachen Schein von sich, als sie sich in Richtung des Sofas vortastete, aber sie wagte nicht, sie höher zu drehen.
    Das Zischen eines aufflammenden Streichholzes ließ sie mit einem kleinen Aufschrei herumfahren. Sie konnte die Lampe, die ihr beinahe aus der Hand geglitten war, gerade noch festhalten.
    »Steck bitte den Wagen nicht in Brand. Er war teuer, und bis Jaipur ist es noch ein Stück.«
    Die Flamme des Zündholzes beleuchtete einen Augenblick Ians Gesicht, warf zuckende Schatten darauf, ehe sie verlosch und nur noch die punktförmige Glut der Zigarette zu sehen war.
    »Was machst du hier?«, fragte Helena atemlos in Richtung der Chaiselongue.
    Ian lachte kurz auf. »Das könnte ich dich auch fragen. Schließlich ist das mein Zug.«
    »Ich … ich konnte nicht schlafen, und ich wollte Jason nicht wecken.« Helena stand noch immer mitten im Raum, die Lampe fest an sich gepresst.
    »Dann ging es dir wie mir. Mohan hat einen leichten Schlaf – die angeborene Wachsamkeit eines Kriegers, nehme ich an. Sei bitte so gut und stell die Lampe ab, bevor du damit noch Unheil anrichtest.«
    Sie hörte, wie Ian aufstand. Ein erneutes Aufflammen eines Streichholzes entzündete eine der an der Wand befestigten Lampen. Gehorsam stellte sie ihre Lampe ab und löschte sie. Ian drehte den Docht herunter, sodass sie den Raum nur mit einem dämmrigen Licht erhellte, das gerade bis ans Ende der Chaiselongue reichte.
    Ohne Vorwarnung kreischten die Bremsen, und ein hartes Rucken ging durch den Zug, das Helena das Gleichgewicht verlieren und gegen Ian fallen ließ. Eisen schliff auf Eisen, mit einem hässlichen, durchdringenden Geräusch, eine kleine Ewigkeit lang, ehe der Zug zum Stehen kam, die Lokomotive müde und erschrocken schnaufend.
    Halbwegs sanft hatte die Chaiselongue ihren Sturz aufgefangen. Die plötzliche Stille war betäubend, als hätten die Bremsen des Zuges die gesamte Welt zum Stillstand gebracht. Es waren nur Sekunden, aber Helena schienen es Stunden, in denen ihr bewusst wurde, dass Ian halb auf ihr lag. Seine Arme umschlossen sie fest, pressten sie so dicht an sich, dass sie durch den dünnen Stoff die Wärme seiner Haut, die Härte seiner Muskeln spüren konnte. In ihr stieg eine unglaubliche Hitze auf. Etwas löste sich, das zuvor eng und verkrampft war, wurde weich, fast durchlässig. Er war ihr so nahe, dass sie den sinnlichen Schwung seiner Lippen unter dem Bart überdeutlich wahrnahm, die feinen Fältchen unter seinen Augen, die so dunkel und still waren in diesem Augenblick; sie

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