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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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großflächigen Steinplatten gepflastert war, eierschalfarben, wie die Fassade des breiten Eingangs, über den sich ein geschwungener Bogen wölbte. Drei Stockwerke aus rosafarbenem Sandstein, die Fenster mit filigranem Spitzenmuster vergittert, bauten drauf auf; das oberste war gekrönt von turmartigen Aufbauten, die mit metallisch schimmernden Kuppeln abschlossen. Durch das Muster der Fenstergitter ganz oben konnte Helena den blauen Himmel durchscheinen sehen. Das Gebäude umschloss den Hof auf drei Seiten. Die vierte bestand aus einer zwei Stockwerke hohen Mauer, durch deren massives Tor, jetzt geschlossen, sie gekommen sein mussten. In der Ferne hörte man das Stimmengewirr und das laute Treiben der Straßen, wenn hier auch nur noch gedämpft.
    Durch die weit geöffnete, hinter dem Bogen zurückgesetzte Eingangstür aus Ebenholz eilte ein großgewachsener, zur Fülle neigender Inder. Auch er trug einen roten Turban und weiße Reithosen, dazu die goldene Kordel, aber seine lange Jacke mit dem kleinen Stehkragen glitzerte golden und rot bestickt über dem Weiß. Er hatte ein freundliches rundes Gesicht, und sein buschiger Oberlippenbart schien vor Vergnügen zu vibrieren. In einer großzügigen Geste breitete er die Arme aus.
    »Rajiv – khushámdi «, rief er mit volltönender Stimme, ehe er auf Ian zutrat und sich mit aneinander gelegten Handflächen kurz verneigte. » Namasté! «, sagte er ebenso förmlich wie warm. Ian tat es ihm gleich, ehe sie sich beide kurz ansahen, dann in lautes Lachen ausbrachen, sich die Hände schüttelten und herzlich umarmten. »Tum kaise ho?« – »Maiñ kaise huuñ!« ,fragten und versicherten sie sich gegenseitig ihres Wohlbefindens, bevor der Hausherr auf die gleiche Weise Mohan Tajid begrüßte.
    »Und das ist meine Frau«, wechselte Ian ins Englische über und wies auf Helena.
    »Ahhh«, machte der Inder, und seine Augen blitzten freudig auf, ehe er die Handflächen aneinander legte und sich halb verneigte. »Namasté, Shríimatii Cha-« , mit einem schnellen Seitenblick auf Ian korrigierte er sich, » Neville . Ich bin Ajit Jai Chand. Es ist mir eine Ehre, Sie in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen«, setzte er in stark akzentbeladenem, aber fehlerfreiem Englisch hinzu.
    Helena deutete verwirrt einen Knicks an.
    »Und das ist der kleine Sahib.« Chand beugte sich zu Jason hinunter und gab ihm die Hand. » Khushámdi in Jaipur«, begrüßte auch er ihn herzlich, was Jason vor Stolz rot anlaufen ließ.
    » Tjárhnaa, tjárhnaa , herein, herein«, bedeutete er ihnen mit einer weit ausholenden Geste, »ihr wollt euch sicher erfrischen nach der langen Reise. Fühlt euch wie zu Hause!«
    Ihr Körper war völlig erschöpft, aber Helena fand dennoch keine Ruhe unter den glatten Laken des breiten Bettes. Zu vielfältig waren die Eindrücke dieses Tages, zu farbenreich, zu fremdartig. Ein Heer schwatzender Frauen, alle kleiner als sie selbst, in leuchtenden Saris, hatte sie in der hohen, marmornen Halle in Empfang genommen und in die z enana geleitet – den Teil des Hauses, der den Frauen allein vorbehalten war. Zuerst hatte Helena lautstark protestiert, als sich zwei von ihnen daranmachten, die Haken und Schnüre ihres Kleides und Korsetts zu öffnen; doch als ihr Widerstand ins Leere lief, ließ sie es stumm über sich ergehen. Ein Bad war für sie eingelassen worden, auf dessen Oberfläche Rosenblätter schwammen. Es war eine Wohltat, und noch mehr die Handgriffe der beiden jungen Frauen, die anschließend Helenas müde Muskeln mit schwer duftenden Ölen lockerten. Noch immer konnte Helena die betäubende Mischung auf ihrer Haut riechen, die sie weich und samtig zurückgelassen hatte. Ihr Haar fühlte sich leicht und seidig an, fiel in weichen Wellen über ihre Schultern, nicht mehr spröde und starr, nachdem eine der Inderinnen es mit einer pomadeähnlichen Substanz eingerieben hatte. Ein enges, taillenkurzes Leibchen aus flaschengrüner Seide, mit kurzen Ärmeln und vorne durchgeknöpft, das so genannte choli , wurde ihr angelegt, dann eine scheinbar endlose Bahn aus türkis und grün changierender Seide kunstvoll um sie gewickelt – ein Sari, wie sie ihn an den Frauen Indiens nun schon so oft gesehen und bewundert hatte. Er fühlte sich fremdartig an und doch wunderbar auf ihrer Haut, ließ ihr ungleich mehr Bewegungsfreiheit als die steifen Kleider ihres Landes.
    Eine der Frauen brachte sie durch viele zusammenhängende Zimmer – Helena sah Marmor, edles Holz,

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