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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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später in Hemd und Reithosen, ihr ungebärdiges Haar locker zum Zopf geflochten, Ian durch das Haus. Verglichen mit der Pracht von Surya Mahal und der Eleganz des Hauses am Grosvenor Square wirkte Shikhara einfach, aber es war eine sichtbar teure, ausgesuchte Einfachheit. Weiß getünchte Wände wechselten sich mit edlen Hölzern ab; durch die hohen Fenster strömte ungehindert das Sonnenlicht, ließ die Räume luftig und gleichzeitig anheimelnd wirken. Zweigeschossig erbaut wie die typischen Bungalows der Teepflanzer, erinnerte es in seinen Ausmaßen doch kaum mehr an einen solchen. Zentrum des unteren Geschosses war die großzügige Eingangshalle, weiß und braun gefliest, um die sich Salon, Esszimmer, Bibliothek mit angrenzendem Arbeitszimmer gruppierten, gesäumt von der breiten, säulenumstandenen Veranda, die auf den üppigen Garten hinausging, hinter dem der Blick sich in den dunkelgrünen Hängen verlor. Von der Halle aus führte eine breite Treppe in das obere Stockwerk, in dem alle Schlafzimmer, jedes mit einem eigenen Bad, sich an der umlaufenden Galerie aufreihten. Schnitzwerk schmückte die Fenster und Türen, von denen einige wie kostbare Spitze wirkten; mehr Künstler denn Handwerker schienen es gewesen zu sein, die die Stühle, Tische, Betten, Kanapees und Schränke geschaffen hatten. Bunte Teppiche bedeckten die Böden, teils gefliest, teils aus Holz. Kandelaber und Lampen aus Silber und milchigem Glas, Jagdtrophäen, gerahmte Szenen aus der Sagenwelt Indiens, edles Porzellan, gemächlich vor sich hin tickende Uhren, Überwürfe und Kissen mit Stickereien auf schmeichlerischen Stoffen – alles von ausgesuchter Schlichtheit und doch weit davon entfernt, puritanisch nüchtern zu sein.
    Im hinteren Teil des Hauses befanden sich die große Küche und die Vorratsräume, zum Bersten gefüllt mit Obst und Gemüse, Gläsern fremdartiger, vielfarbiger Gewürze, Säcken von Mehl und Reis, Kaffeebohnen, Zucker und Salz, dem Fleisch, Fisch und Geflügel, das jeden Tag frisch geliefert wurde und in der Kühlkammer auf Ruhebetten aus Eis auf seine Zubereitung wartete. Eine ganze Schar dienstbarer Geister bevölkerte das Haus, zumeist Frauen unterschiedlichen Alters in adretten Baumwollsaris, aber auch einzelne Männer, vom Butler in weißer, kragenloser Jacke und dhotis bis zu den einfach, aber makellos gekleideten Dienern, die das Haus sauber hielten, den Garten pflegten, das Holz für die Kamine spalteten und aufschichteten. Formlos stellte Ian ihnen Helena als ihre neue Memsahib vor. Mit einer ehrerbietigen Verneigung musterten sie sie eindringlich unter gesenkten Lidern, nicht zuletzt, weil Helena sich in ihrer äußeren Erscheinung so deutlich von allen anderen Memsahibs unterschied, die sie bislang zu Gesicht bekommen oder von denen sie gehört hatten, was Helena verlegen das Blut in die Wangen schießen ließ.
    Unweit des Hauses befanden sich die geräumigen Stallungen, hinter denen sich eine weite Koppel erstreckte. Schlankgliedrig und stolz stand ein gutes Dutzend Pferde darin, ihr seidiges Fell – nachtschwarz, schneeweiß, fuchsrot – schimmernd im Sonnenlicht. Helena rang überrascht nach Luft, als sie in den beiden Pferden, die von zwei Stallburschen herangeführt wurden, Shiva und Shakti wiedererkannte.
    Die weiße Stute wieherte leise und stupste Helena vorsichtig an, als sie sie beim Zügel nahm, und Helena erwiderte ihre Begrüßung, indem sie ihr zärtlich über die Flanken strich und ihr Koseworte zumurmelte.
    »Oh Ian«, brach es aus ihr hervor, »wie hast du die beiden so schnell hergebracht?« Unverhohlen glücklich strahlte sie ihn an und bemerkte nicht den ebenso aufmerksamen wie warmen Ausdruck in seinen Augen, als er sie in ihrem liebevollen Umgang mit dem Pferd beobachtete.
    Ein Lächeln schien in seinem Blick auf, als er seine Hand sacht auf das schimmernde Fell Shaktis legte, das an die Schneefelder auf dem Gipfel des Kanchenjunga erinnerte, kaum einen Fingerbreit neben Helenas. »Das bleibt mein Geheimnis.«
    Und deren hast du viele, fügte Helena im Stillen hinzu und senkte bedrückt ihren Blick, eine Spur zornig darüber, dass jeder Augenblick der Unbeschwertheit in seiner Nähe so flüchtig war.
    Seite an Seite ritten sie über den frisch geharkten Kiesweg, an hohen Rhododendronsträuchern, Bambusstauden, mächtigen Eichen und Zedern und knospenden Blumenrabatten vorbei. Alles wirkte parkähnlich gepflegt, und hin und wieder passierten sie einen der weiß gekleideten Gärtner,

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