Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
die sich mit Rechen und Gartenschere bemühten, diese Ordnung aufrechtzuerhalten, und der sie ebenso freundlich wie ehrfurchtsvoll begrüßte.
    Der Weg stieg rasch an, führte zwischen den Feldern der Teepflanzen, dicht wie ein hochfloriger grüner Teppich, hindurch. Glattes, glänzendes, flaschengrünes Laub, so weit das Auge reichte. In der Ferne war ein langgestrecktes, weiß getünchtes Gebäude in der Form eines L zu sehen, um das sich zahlreiche kleine Häuschen gruppierten.
    »Die Manufaktur«, sagte Ian. »Dort werden die gepflückten Blätter weiterverarbeitet, und dort lebt auch ein Großteil meiner Arbeiter mit ihren Familien, bis auf die Saisonarbeiterinnen, die nur für die Pflückungen aus den umliegenden Tälern des Himalaya kommen. Jetzt ist noch alles ruhig, aber in zwei, drei Wochen wird hier von Sonnenaufgang bis in die Nacht hinein gearbeitet werden, werden Hunderte von Menschen alle Hände voll zu tun haben.« Schmal und steil führte der Pfad sie weiter zwischen den Teefeldern hindurch, die die Luft mit ihrem frisch-würzigen Duft erfüllten.
    »Man sagt, die Anfänge des Tees liegen viereinhalbtausend Jahre zurück. Der letzte Gottkaiser Shen Nung, dem die Menschen den Ackerbau verdanken, die Heilkunst und Medizin, befahl seinen Untertanen, abgekochtes Wasser zu trinken. Eines Tages, es war sehr heiß, lagerte Shen Nung im Schatten eines Strauches und kochte Wasser gegen seinen Durst ab. Eine leichte Brise fuhr in die Zweige des Strauches und löste drei Blätter, die in das kochende Wasser fielen und es zart färbten. Shen Nung wartete einige Momente, ehe er davon kostete, fand es köstlich erfrischend und belebend, und so wurde der Legende nach der Tee geboren.« Wie gebannt lauschte Helena Ians Stimme, während Shiva und Shakti munter weiter bergan trabten. »Tatsächlich hat der Tee eine lange Tradition in China, Korea und Japan. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse gehen bis ins achte Jahrhundert vor Christus zurück, und im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich komplizierte und strenge Rituale um die Zubereitung des Tees. Aus China brachten erst portugiesische und schließlich englische Handelsreisende im siebzehnten Jahrhundert den Tee – nach dem südchinesischen Ausdruck tay oder te so genannt – nach Europa. Da die chinesischen Teehändler den Löwenanteil der Gewinne einheimsten, suchte die East India Company Ende des letzten Jahrhunderts nach einer Möglichkeit, selbst Tee anzubauen. Die klimatischen Verhältnisse sprachen für die indische Kolonie, und die ersten Versuche, Teepflanzen zu ziehen, waren vielversprechend. Als 1826 Assam für die britische Krone erobert wurde und die Gebrüder Bruce wilde Teepflanzen entdeckten, begann man, Pflanzen zu ziehen und mit unterschiedlichen Lagen für den Anbau zu experimentieren, und schließlich wurde 1839 die Assam Company gegründet. Mittlerweile wird Tee nicht nur in Assam, sondern auch in Teilen Bengalens und im westlichen Himalaya angebaut. Doch keiner erreicht die Qualität der Tees von Darjeeling. Der Tee liebt gleichmäßige Wärme und Feuchtigkeit, ein ausgewogenes Wechselspiel von Sonne und Regen, die Nähe der Berge. Warum letztlich der Boden und das Klima hier den besten Tee der Welt hervorbringen – das bleibt das Geheimnis der Hügel von Darjeeling.«
    Sie hatten die Anhöhe erreicht, von der aus sie über die sanften Wellen der Teehänge blickten, und zügelten ihre Pferde. Hinter ihnen zogen sich dichte dunkle Wälder die Bergkette entlang, deren Fels bläulich schimmerte, die weiße Schneekruste grell das Sonnenlicht reflektierend. Ian lehnte sich über den Sattelknauf und ließ nachdenklich seinen Blick über das Land schweifen.
    Hier oben war es still; allein weit entferntes Vogelgezwitscher und ein leichter Wind, der im Laub der Teepflanzen und der Bäume flüsterte, belebten die Landschaft. Ein unglaublicher Friede lag über den Hügeln und Tälern und erfüllte Helenas Seele. Sie begriff, was Mohan Tajid gemeint hatte, als er Shikhara als Paradies bezeichnet hatte, und auch, dass Ians Herz diesem Teil des Landes gehörte, mehr noch als der Wüste Rajputanas. Doch sie empfand keine Eifersucht, denn sie spürte, wie ihr Herz ebenfalls weit und groß wurde, ergriffen von der Ruhe und schweigsamen Schönheit der Berge, Wiesen und Wälder.
    Ian stieg ab und betrat das Feld mit Teepflanzen, die ihm bis knapp zur Taille reichten, und er bedeutete Helena, ihm zu folgen. Mit beiden Händen strich er über die

Weitere Kostenlose Bücher