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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Seide, Tischchen mit Götterstatuetten in Silber und Bronze, edel gebundenen Büchern, einer Kristallvase mit einem Bukett dunkelroter Rosen. Die Morgenluft vermischte sich mit dem Duft der Blumen, des geölten Holzes und frischer Wäsche. Jeder Winkel verströmte Weiblichkeit, und Helena drängte sich die unangenehme Frage auf, ob es einmal eine Frau gegeben hatte, für deren Geschmack dieses Schlafzimmer so hergerichtet worden war. Diese Vorstellung bedrückte sie, und rasch schwang sie die Beine aus dem Bett, schlüpfte in die bestickten Pantoffeln und zog sich ihren bereitliegenden Morgenrock über das Nachthemd. Es zog sie nach draußen, in die klare Luft, zu dem hellen Vogelgesang. Sachte öffnete sie die Tür neben den beiden Fenstern und trat auf den Balkon.
    Unter ihr wellten sich sanft, wie ein tiefgrünes Meer, die Hänge der Teepflanzungen, gingen in der Ferne in Wiesen über, von ersten Frühlingsblumen gelb und weiß gesprenkelt und von dichten Wäldern umrahmt. Doch ihr Blick wurde gebannt von der Bergkette des Himalaya, grandios, stolz, atemberaubend; karstiger bläulicher Stein unter einer Schneedecke, gewaltig und Ehrfurcht gebietend wie eine im Augenblick erstarrte heranrollende Flutwelle, rosig überhaucht und scheinbar schmelzend unter der gerade emporsteigenden Sonne.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«
    Helena fuhr herum und zog unwillkürlich den Morgenrock enger vor der Brust zusammen. Ian war diese kleine Bewegung nicht entgangen, und sie sah ein amüsiertes Auffunkeln in seinen Augen, als er zu ihr trat.
    »Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen und dich erholt.« Seine Lippen streiften flüchtig ihre Wange. Einen winzigen Augenblick lang sahen sie sich in die Augen, einander so nahe, dass Helena seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte, ihrer beider Gesichter angehaucht vom Widerschein der Morgensonne, ehe Ian sich wieder aufrichtete und auf die Berge hinaussah.
    »Das dort ist der Kanchenjunga.« Er deutete auf den höchsten Gipfel in der langgezogenen Felskette. »In der Sprache des tibetischen Volkes bedeutet sein Name ›Die fünf Kleinodien des Ewigen Schnees‹. Der Überlieferung nach bewahrt dort der tibetische Gott des Reichtums seine Schätze auf: Gold, Silber, Kupfer, Korn und die heiligen Schriften. Und die Hindus glauben, dass er der Berg Kailash ist, der Silberne Berg , auf dem Shiva lebt. Alle Götter und Dämonen haben ihren Sitz in diesem Gebirge, und deshalb wird es von den Menschen als heilig betrachtet. Es heißt, dass die Sünden der Menschen im Anblick des Himalaya verschwinden, so wie der Tau verdunstet, ehe noch die Sonne aufgeht.« Er sah sie unverwandt an, seine unergründlichen Augen ernst. »Es dürfte wohl kaum jemanden geben, für den das weniger gilt als für dich, meine unschuldige kleine Helena«, fügte er leise hinzu, und fuhr sachte mit dem Rücken seines Zeigefingers ihre Wangenlinie entlang, ehe er sie küsste. Es war etwas in seiner Stimme gewesen, eine tiefe Traurigkeit, fast Verzweiflung, die sie zugleich anrührte und frieren ließ, und mit seinem Kuss schien sich etwas Dunkles ihrer zu bemächtigen, das sie ängstigte, dem sie sich entziehen wollte und dem sie sich doch hilflos ausgeliefert fühlte.
    Abrupt löste er seine Lippen von den ihren, und ebenso plötzlich schien seine Stimmung umgeschlagen zu sein; gelassen wirkte er, heiter, fast übermütig das Funkeln in seinen Augen.
    »Lass uns frühstücken, dann zeige ich dir dein neues Zuhause.«
    Trotz ihres Hungers und der aufgetischten Köstlichkeiten – lockere weiße Brötchen, die unter ihrer dünnen Kruste noch dampften, sahnige Butter, verschiedene Marmeladen, Eier mit dunkelgelbem Dotter, mit Fruchtchutneys gefüllte luftige Omelettes, würziger Tee und dicke Trinkschokolade – brachte Helena kaum einen Bissen herunter. Das lag teils an der Beklemmung, die sie noch immer wie einen eisernen Ring um ihren Brustkorb spürte, teils an der überwältigenden Aussicht, die sie in ihrem Rattansessel auf dem langgestreckten Balkon hatte und die ihr den Atem nahm. Die Schneespitzen der Berge glänzten unter der rasch höher steigenden Sonne wie flüssiges Gold, schienen sich abzukühlen, um wie gehämmertes Silber zu schimmern, reflektierten schließlich blendend weiß das Licht, während ein zarter Dunst aus den Wiesen und den Hängen der Teepflanzung aufstieg, sich auflöste und die Farben des Tages umso klarer leuchten ließ.
    Nach einer kurzen Morgentoilette folgte Helena wenig

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