Himmel über dem Kilimandscharo
Schultern, was wohl so viel bedeutete, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne, doch sie dürfe das Büchlein gern benutzen. Es war beim Orientalischen Seminar in Berlin gedruckt worden und ganz offensichtlich für den Gebrauch in einer evangelischen Mission bestimmt.
» Kluge Leute«, sagte er. » Sie haben drüben bei der Hafeneinfahrt ihre Missionsgebäude, züchten Gemüse und Obst und haben auch Kokospalmen. Es gibt eine Schule und eine Krankenstation. Sie behandeln alle, ohne Ausnahme.«
Charlotte begriff, dass er offensichtlich auch mit den evangelischen Missionaren Handel trieb. Er schien sie jedoch zu schätzen; in die Missionsschule gingen neben afrikanischen auch viele indische Kinder, das sei wichtig, erklärte er ihr, denn nur ein gebildeter Inder könne die Anerkennung der Deutschen gewinnen, vielleicht sogar eine Stelle in der Verwaltung bekommen. Von den katholischen Missionaren hielt er weniger, sie seien stolze Menschen, die nur ihren eigenen Glauben kannten und keinen anderen daneben gelten ließen. Er selbst war ein Sikh und besuchte den Tempel, der nördlich der Inderstraße gelegen war.
» Sie wollten mir helfen, Waren einzukaufen.«
» Sagen Sie mir, was Sie haben wollen.«
Sie war vorsichtig. Reis und Tee wurde immer gekauft, dazu hübsches Geschirr, aber nicht zu teuer, ein paar Haushaltswaren und Stoffe.
Er hörte schweigend zu und nickte vor sich hin, anscheinend fand diese Auswahl seine Billigung, allerdings merkte er an, dass ein paar » glänzende« Dinge nicht schlecht wären, ein wenig Schmuck, blitzende Windspiele– Sachen, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen.
» Und Gewürze. Aber nur die gängigen. Und eine Nähmaschine.«
» Eine Nähmaschine?«
» Für meine Cousine. Sie kann sehr gut nähen.«
Er wiegte den Kopf und meinte, eine solche Maschine sei teuer und nicht leicht zu beschaffen, aber er wolle sich umsehen. Dann nannte er ihr die Einkaufspreise, schlug vor, welche Mengen sie kaufen solle und was sie daran verdienen könne. Charlotte rechnete alles im Kopf durch und musste schlucken– von ihren Ersparnissen würde nur wenig übrig bleiben. Die Handelsspanne war unterschiedlich, am geringsten bei den Lebensmitteln, die anderen Dinge brachten mehr ein. Aber die musste man erst mal verkaufen.
» Es wird schon gehen«, sprach er ihr Mut zu. » Für den Anfang auf jeden Fall. Später werden Sie bessere Geschäfte machen.«
Jetzt stellte sie auch fest, dass er mehrere Angestellte beschäftigte, vor allem Afrikaner, aber auch einige Inder. Sie tauchten hin und wieder im Laden auf, nahmen Aufträge entgegen und liefen wieder davon, manchmal blieb auch der eine oder andere, um die Kunden zu bedienen, während Kamal Singh sich mit Freunden in den hinteren Teil des Ladens zurückzog, um bei Tee oder Kaffee lange Gespräche zu führen.
Die bestellten Waren wurden noch am gleichen Nachmittag in ihren Laden geliefert. Afrikaner schleppten Säcke und Ballen auf dem Rücken, stellten die Sachen gehorsam dort ab, wo Charlotte sie haben wollte, und freuten sich wie die Könige, als sie einige Pesa Trinkgeld erhielten. Bald erschienen auch zwei junge Inder mit Tischen, einem Stuhl und mehreren Kisten und erklärten, Sahib Kamal Singh lasse anfragen, ob sie für diese leider etwas verstaubten und verschrammten Gegenstände eine Verwendung habe.
Nichts von alledem stimmte: Die Tische waren aus glattem Holz und hatten gedrechselte Beine, der Stuhl, der geschnitzte Seitenlehnen hatte und mit rotem, gemustertem Samt bezogen war, schien aus einem indischen Palast zu stammen, wenngleich er schon ein wenig abgenutzt war. Charlotte beschloss, sich über die Großzügigkeit des Inders vorerst keine weiteren Gedanken zu machen, rief Klara nach unten, und sie verbrachten den Rest des Tages damit, ihre Waren einzuräumen. Da sie die hölzernen Torflügel dabei offen ließen, stellten sich auch schon die ersten Kunden ein, und so hatten sie bis zum Abend drei Rupien und vierundzwanzig Pesa eingenommen.
Als sie sich kurz vor Einbruch der Dunkelheit mühten, die mehrfach zusammengeklappten Torflügel auseinanderzuziehen, um das Geschäft für die Nacht vor Einbrüchen zu sichern, erschien Kamal Singh höchstpersönlich, um ihnen zur Hand zu gehen.
» Gehen Sie am Abend oder in der Nacht niemals allein aus«, warnte er die Frauen. » Und wenn Sie es doch tun müssen– schaffen Sie sich einen Revolver an.«
Klara wurde blass– all die fürchterlichen Geschichten, die Tante Fanny
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