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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Kein Geld. Nur chakula. Schammi isst nicht viel.«
    Wie es schien, wollte er nur für das Essen arbeiten.
    » Wir brauchen niemanden.«
    » Weiße bibi braucht einen boy. Bibi kann schlecht gehen. Schammi holt, was sie haben will. Schammi fängt Dieb. Schammi trägt Kiste. Schammi läuft, wohin sie will…«
    Er begleitete diese Worte mit Gesten, sprang hin und her, tat, als wolle er einen imaginären Spitzbuben festhalten, schleppte mit gebeugtem Rücken eine nicht vorhandene Last. Ganz sicher war er ein begabter Pantomime.
    » Gehen Sie nicht darauf ein«, riet Kamal Singh, der zu ihnen hinüberkam, um ihnen zwei Gläser mit gesüßtem Tee und ein wenig Gebäck auf einem Tablett zu bringen. Seitdem sie den Laden neben ihm eröffnet hatten, tat er dies jeden Morgen und auch am frühen Nachmittag.
    » Er ist ein gewitzter Dieb«, meinte er mit dem ihm eigenen Gleichmut. » Vor allem aber trägt er den Keim des Todes in sich.«
    » Den Keim des Todes? Wie meinen Sie das?«
    Charlotte entdeckte in Kamal Singhs Augen einen Ausdruck, der ihr bisher noch nie aufgefallen war. Im goldblitzenden Dunkel seiner Iris lag Kälte.
    » Es gibt immer wieder Krankheiten, die niemand beim Namen nennen oder gar heilen könnte. Seine Familie starb an solch einem Fieber, er ist der Einzige, der überlebt hat. Niemand weiß, weshalb gerade er zum Weiterleben auserwählt wurde, aber er trägt die Krankheit in sich.«
    Schammi hatte sich wieder neben den Tisch mit den Waren gesetzt und schien zu einer dunklen Statue zu erstarren, solange Kamal Singh mit Charlotte und Klara plauderte. Erst als der Inder sich wieder in seinen eigenen Laden begeben hatte, regte sich Schammi.
    » Kein Geld. Nur wenig chakula.«
    » Es ist unsere Christenpflicht, Charlotte«, sagte Klara. » Kamal Singh mag uns gewogen sein, aber er ist ein hartherziger Mensch.«
    » Und wenn er recht hat?«
    » Gott wird uns schützen. Und gegen das Fieber gibt es Chinin.«
    Sie hatten beide hin und wieder mit Fieberanfällen oder Durchfall zu kämpfen gehabt, doch diese Unpässlichkeiten hatten sich nach einigen Tagen gelegt. Charlotte entschied, es mit Schammi zu versuchen. Man konnte ihn für Botengänge gebrauchen, als Aufpasser für den Laden, er konnte kleine Handreichungen leisten, auf dem Markt für sie einkaufen, und vor allem würden sie mit ihm Suaheli reden und dabei die Sprache lernen.
    Die erste Nacht verbrachte Schammi im Laden. Am Morgen fanden sie ihn hinten zwischen den Warenballen, zitternd vor Angst, denn obgleich die hölzerne Tür mit einem Schloss gesichert war, fürchtete er sich vor den Löwen. Auch zum Einkaufen taugte er nicht viel, stets brachte er die falschen Dinge, redete sich damit heraus, die Früchte, die er hatte kaufen sollen, seien schlecht gewesen, deshalb habe er andere gebracht. Das Rechnen lag ihm gar nicht; wenn er vom Markt zurückkehrte, konnte er niemals sagen, wie viel er für welchen Einkauf bezahlt hatte. Dafür zeigte er andere Talente. In großer Schnelligkeit lernte er die deutschen Wörter, konnte bald alle möglichen Gegenstände und Sachverhalte ausdrücken, und Charlotte musste sich große Mühe geben, es ihm auf Suaheli gleichzutun. Klara, die ihm besonders zugetan war, erfreute sich den ganzen Tag über seiner Aufmerksamkeit. Mit kritischen Augen sah er zu, wie sie an der Nähmaschine wirkte, und erriet, ohne dass sie es ihm auftragen musste, was er ihr herbeiholen sollte. Dennoch blieb die ratternde Nähmaschine für ihn eine unheimliche Angelegenheit, vor allem die blitzenden, auf- und niedersausenden Metallteile waren ihm verdächtig, und nicht für alle Güter dieser Welt hätte er es gewagt, den metallenen Körper der Maschine zu berühren. Sheitani hause darin, sagte er einmal.
    » Manchmal glaube ich, er will mich beschützen, falls der Scheitan aus der Nähmaschine springen sollte«, meinte Klara lächelnd.
    » Schammi dich beschützen? Vor seinen Geistern und Dämonen? Der ist der größte Hasenfuß, den ich kenne.«
    » Er ist doch noch ein Kind, Charlotte!«
    Seit jener ersten Nacht, in der Schammi im Laden fast vor Angst gestorben war, wohnte er bei ihnen in der Wohnung. In dem noch leer stehenden Schlafraum lag er zusammengekauert wie ein Säugling auf einem Teppich und schien mit seinem harten Lager hochzufrieden zu sein.
    Charlotte entschloss sich, einen ersten Brief in die Heimat zu senden. Es war kein ausführlicher Bericht, sie vermeldete, dass sie gesund seien, einen kleinen Laden in Daressalam

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