Himmel über dem Kilimandscharo
einmal eine Kaffeeplantage zu besitzen? Wann? In einem Jahr? In zehn Jahren? Sollen wir bis dahin verhungern?«
Ein heftiger Regenguss enthob Christian fürs Erste einer Antwort. Schleunigst flüchteten sie sich unter das ausgespannte Stoffdach eines Geschäfts. Dort verharrten sie einige Minuten schweigend, starrten in den strömenden Regen, der die Straße in einen sprudelnden Sturzbach verwandelte, und versuchten, ihre Kleidung vor den aufspritzenden Tropfen zu schützen. Christian war düsterer Stimmung, seine Hoffnung, einen Kredit zu erhalten, hatte sich gestern zerschlagen, er hatte auf die verdammte Cliquenwirtschaft geschimpft, die Herren von und zu, die sich gegenseitig Gelder und Ländereien zuschusterten und andere ausschlossen. Ebert, bei dem er sich beschwerte, hatte nur die Schultern gezuckt und ihm eine Stelle als Schreiber in der deutschen Verwaltung angeboten. Nicht allzu gut bezahlt, aber immerhin ein Anfang.
» Ich werde in Usambara schon einen Posten finden«, knurrte er schließlich. » Auf den Pflanzungen werden sie froh sein, einen Deutschen einstellen zu können. So werde ich mir Kenntnisse erwerben und Geld zusammensparen.«
» Das kannst du tun. Aber ohne mich!«
Er gab zu, dass er sie in diesem Fall sowieso nicht mitnehmen könne, auch Klara nicht. Aber es sei Wahnsinn, diesem Inder zu vertrauen, er sei ein Orientale und denke um die Ecke. Er habe sich bei Kunert erkundigt. Kamal Singh besaß mehrere Ladenhäuser in der Inderstraße, seine beiden Söhne waren ebenfalls Händler und lebten auf Sansibar, außerdem hatte er drei Schwiegersöhne, von denen einer in Bagamoyo, die anderen beiden irgendwo in Arabien saßen. Der Clan arbeitete gut zusammen und handelte gewiss nicht nur mit Wasserkesseln und Seidentüchern. Kunert wusste auch, dass der Inder mit den deutschen Behörden Ärger hatte; man hatte ihn zum Verkauf eines Hauses bewegen wollen, um es abzureißen– das sich beständig ausbreitende Inderviertel war der deutschen Verwaltung ein Dorn im Auge. Vermutlich handelte es sich genau um das Gebäude, das er jetzt an Charlotte vermieten wollte– ein kluger Schachzug von ihm. Wenn dort eine deutsche Familie wohnte, würden ihn die Behörden fürs Erste in Ruhe lassen.
» Und wenn schon. Ein Grund mehr für ihn, mich nicht zu betrügen!«
Sie hatte sich inzwischen nach dem Umrechnungskurs erkundigt. Eine Rupie war eine Mark dreiunddreißig wert, ein Pesa zwei Pfennige. Vierundsechzig Pesa gingen auf eine Rupie. Wenn er für ein Kopftuch fünf Rupien hatte haben wollen und dann sechs Mark von ihr verlangte, hatte er sehr zu ihren Gunsten umgerechnet.
Das feindselige Schweigen inmitten des prasselnden Unwetters tat Charlotte weh, sie war zu hart gewesen, sie wusste doch, wie sehr Christian unter seiner Enttäuschung litt. Besser, sie versuchte, ihn sanft zu überreden.
» Wenn du tatsächlich nach Usambara gehen willst, müssen Klara und ich irgendwo bleiben«, lenkte sie ein. » Schließlich können wir nicht Wochen und Monate im Postamt logieren, und das Hotel ist viel zu teuer. Da kommt diese Wohnung genau recht. Zumal du uns ganz sicher bald Geld schicken wirst.«
Der letzte Satz war hilfreich. Sie glaubte an ihn, vertraute darauf, dass er Erfolg haben würde. Wenn sie es tat, dann konnte auch er selbst an sich glauben. Seine düstere, verkrampfte Miene löste sich.
» Die Wohnung– gut. Aber nicht den Laden.«
» Er vermietet nur beides zusammen.«
Sie brauchte eine Weile, um ihn zu überzeugen, doch schließlich kapitulierte er vor ihrer Hartnäckigkeit. Gut, er würde sich nach der Miete erkundigen. Aber sie dürfe in seiner Abwesenheit keinesfalls teure Waren einkaufen, auf denen sie dann sitzen blieb. Und sich nicht etwa dazu hinreißen lassen, bei diesem Inder Schulden zu machen. Der würde ihnen ganz sicher das letzte Hemd nehmen.
Charlotte verkniff sich die boshaften Bemerkungen, die ihr auf der Zunge lagen, und sie gingen zu dritt zurück in Kamal Singhs Laden, um die Verhandlungen zu führen. Der Inder schien Christians beleidigende Worte nicht gehört zu haben, denn er behandelte ihn freundlich, wenngleich sein Lächeln schwer zu deuten war. Die Miete hatten sie wöchentlich zu entrichten, sie war aber erstaunlich niedrig, und so setzten sie einen Mitvertrag auf, der die Wohnung und einen Teil des darunter befindlichen Ladens umfasste. Charlotte bestand darauf, ihre Unterschrift neben die ihres Mannes zu setzen.
Christians Reise nach Usambara riss ein Loch
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