Himmel über dem Kilimandscharo
in ihre Ersparnisse. Er würde mit dem Küstendampfer bis Tanga fahren, um sich dort einer Reisegruppe anzuschließen, die in die Usambaraberge zog. Dazu wollte er sich ein Maultier mieten oder kaufen, außerdem benötigte er Geld für Verpflegung und Unterkunft. Ansonsten wollte ihm die Ostafrikanische Gesellschaft hilfreich unter die Arme greifen: Deutsche Arbeitskräfte wurden gebraucht, wer arbeiten und es zu etwas bringen wolle, sei ihnen immer herzlich willkommen.
Als sie am Hafen voneinander Abschied nahmen, verspürte Charlotte herbe Gewissensbisse. Wie konnte sie ihn ganz allein fortlassen? War sie nicht seine Frau und hatte gelobt, immer an seiner Seite zu bleiben? Ach, wie sollte ein so weltfremder Träumer, wie er es war, dort in der Wildnis zurechtkommen?
» Schreib mir so bald wie möglich, ja?«, bat sie ihn.
Auch er war tief bewegt, doch er versuchte, seinen Kummer hinter gespielter Fröhlichkeit zu verbergen. Die Rupien, die sie ihm aufdrängen wollte, damit er nur rasch Post an sie senden konnte, wies er zurück, sie brauche das Geld für sich und Klara. Wenn er erst Fuß gefasst habe, würde er ihnen Reisegeld schicken, damit sie so rasch wie möglich nachkommen konnten.
» Pass mir gut auf Klara auf. Und nehmt das Chinin, das wir gekauft haben…«
» Sei vorsichtig, Christian. Es gibt Leoparden dort. Und Schlangen…«
Der kleine Postdampfer hatte am Landungssteg angelegt, die Glocke schrillte, es war Zeit. Als Christian sie umschlang, spürte Charlotte die Erschütterung in seiner Brust; er schluchzte, und auch sie konnte jetzt ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
» Vergib mir, Charlotte. Wenn wir wieder beisammen sind, wird alles anders werden. Wir werden nie wieder streiten. Ich liebe dich, mein Herz. Ich liebe dich so sehr…«
Er musste sich gewaltsam von ihr losreißen, sonst hätte er den Postdampfer nicht mehr erreicht. Vom Deck aus winkte er ihr zu, und als der Dampfer schon in den schmalen Kanal einfuhr, der den Hafen mit dem Ozean verband, sah sie noch immer sein weißes Taschentuch im Wind flattern. Dann verschwand das Schiff hinter dem dichten Palmenhain der evangelischen Missionsstation.
Charlotte verbrachte die folgenden Tage auf verschiedenen deutschen Ämtern, um die nötigen Papiere für die Eröffnung eines Geschäfts zu erlangen. Eine Woche später schickte Kamal Singh ihr einen Boten ins Postamt– Wohnung und Laden seien jetzt bezugsbereit. Es war eine erlösende Nachricht für die beiden Frauen, die sich im Postamt inzwischen wie lästige Störenfriede vorkamen. Sie hatten in eine Nebenkammer umziehen müssen, da Kunert sein Büro brauchte, um seinen Nachfolger einzuarbeiten. Er selbst saß schon auf gepackten Koffern– in wenigen Tagen würde die Bundesrath von ihrer Fahrt nach Delagoa-Bai und Mosambik wieder zurückkehren und über Daressalam die Rückreise nach Hamburg antreten.
In der Inderstraße wartete eine Überraschung auf sie. Kamal Singh hatte die Wände der Wohnung frisch übertünchen lassen, in dem größeren Raum lagen Teppiche am Boden, Öllampen hingen von den Decken herab, unter den Fenstern stand eine niedrige Truhe aus dunkelbraunem Holz, ein Bettgestell mit Polstern in einem der Schlafräume. In der Küche fanden sich etliche Kochgerätschaften, Geschirr, Eimer, sogar Kehrblech und Feger, dazu ein Bündel Holz, um Feuer zu machen. Vor allem aber hatte er einen Herd aufstellen lassen, der zwar fürchterlich verschrammt war, dafür aber ein Rohr besaß, das den Rauch aus dem Fensterchen ins Freie leitete. Angeblich gehörten diese Dinge zur Wohnung und standen ihnen zur Verfügung.
Charlotte bestand darauf, die Miete für die ersten beiden Wochen im Voraus zu entrichten, worüber er lächelnd den Kopf schüttelte, das Geld dann aber doch nahm. Dass sie im Stadthaus Rupien und Pesa eingetauscht hatte, gefiel ihm auch nicht, weshalb sie nicht zu ihm gekommen sei, er hätte ihr einen günstigeren Kurs gegeben.
Sie überließ es Klara, die wenigen Dinge einzuräumen, die sie in ihrem Koffer mitgebracht hatten, und saß stundenlang in Kamals Laden, half ihm, die Kunden zu bedienen, und bemühte sich, Suaheli zu lernen. Als er bemerkte, dass sie sich die Sätze und Ausdrücke auf einem Blatt Briefpapier notierte, verschwand er im Hintergrund seines Ladens und kehrte mit einem abgegriffenen Büchlein zurück.
» Wörterbuch der Suaheli-Sprache mit Grammatik«, entzifferte sie voller Überraschung. » Woher haben Sie das?«
Er zuckte die
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