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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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einzukaufen, als sie den Jungen bemerkte. Er hockte zusammengekauert neben einem der hölzernen Pfosten des lang gezogenen Strohdachs, unter dem sich das Marktgeschehen abspielte. Charlotte spürte seinen eindringlichen Blick, während die Händlerin ihr zwei Hände voll Erdnüsse in den Korb warf, und aus einem plötzlichen Impuls heraus hockte sie sich vor ihn hin und reichte ihm einige Nüsse.
    Zunächst rührte er sich nicht, in seinen Augen spiegelten sich Zweifel und Misstrauen. Er hatte große, dunkelbraune Augen, die in seinem schmalen Gesicht riesig wirkten, vielleicht war es das, was Charlotte an diesem Kind so berührt hatte. Es dauerte eine kleine Weile, bis er mit einer langsamen Bewegung den Arm hob und ihr die Nüsse eine nach der anderen aus der Hand nahm. Sie nickte ihm lächelnd zu und beeilte sich dann, zu ihrem Laden zurückzulaufen, wo Klara sich mit der Nähmaschine abplagte.
    Erst später bemerkte sie, dass er ihr gefolgt war. Vorerst kämpfte sie zornig gegen die Tücken des widerspenstigen Geräts und zugleich gegen Klaras sanfte Resignation, die ja gleich gewusst hatte, dass diese Anschaffung sinnlos war.
    » Es ist zu anstrengend für mich, Charlotte. Mein Fuß…«
    » Du hast zwei Füße, Klara. Mit dem gesunden Fuß kannst du die Maschine sehr gut in Gang bringen!«
    » Es geht zu schwer. Und wenn sie dann endlich in Bewegung kommt, reißt der Faden ab.«
    Die Nähmaschine war ein Fabrikat der Firma Seidel & Naumann aus Dresden, wie in goldener Schrift auf ihrem schwarzen Eisenkörper zu lesen war. Kamal Singh hatte sie auf verschlungenen Wegen erworben, angeblich stammte sie von einem holländischen Siedler aus Südafrika.
    » Wenn die Deutschen sie gemacht haben, muss sie solide sein«, hatte er behauptet.
    Solide war sie sicher, es wackelte nichts, nur war das Gerät ungeheuer schwergängig. Charlotte bat den Inder um Öl und rückte der eisernen Dame mit einer kleinen Kanne zu Leibe, kippte in jedes Löchlein, auf jede Schraube und vorsorglich auch über das große Schwungrad eine Portion der durchsichtigen, seltsam riechenden Flüssigkeit.
    Nach und nach bildete sich ein Kreis von Zuschauern, die ihre Bemühungen neugierig beobachteten. Junge Männer, Kinder jeglichen Alters, Frauen, die mit Körben und Lasten auf dem Kopf unterwegs waren– alle blieben stehen, verfolgten jede ihrer Bewegungen, schwatzten, staunten, klatschten in die Hände, wenn die Maschine für kurze Zeit ihre Arbeit tat. Es waren Inder, Goanesen und Araber, die meisten jedoch schwarze Afrikaner. Charlotte stellte fest, dass Schadenfreude überall in der Welt verbreitet war, hier in Afrika jedoch trug man sie viel offener zur Schau. Das Gelächter über ihre Misserfolge war laut, manchmal sogar schrill, dennoch empfand sie es nicht als hämisch, denn es lag eine gutmütige Fröhlichkeit darin.
    Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihr endlich, eine gerade Naht herzustellen, ohne dass sie sich in die Finger stach oder der hinterhältige Faden riss. Das Geheimnis bestand darin, gleichmäßig zu treten; kam man aus dem Rhythmus, nähte die Maschine rückwärts.
    » Es ist gar nicht so schwer, Klara. Ein paar Tage, dann hast du es gelernt und willst gar nicht mehr mit der Hand nähen!«
    Sie erntete einen kleinen Applaus, als sie die Naht triumphierend in die Höhe hielt, von den Scherzworten verstand sie nur wenige, aber besonders den schwarzen Frauen schien sie großes Vergnügen bereitet zu haben. Klara, die sich bei so viel Aufmerksamkeit am liebsten in das nächstbeste Loch verkrochen hätte, atmete erleichtert auf, als sich die Leute endlich zerstreuten. Übrig blieb nur ein schwarzer Junge, ein schmales Bürschlein von vielleicht zehn oder elf Jahren, nur mit einem kurzen Jutekittel angetan. Er hatte sich dicht vor dem Laden auf den Boden gesetzt, gleich neben den Tisch, auf dem sie ihre Gewürze, ein paar Töpfe und bunte Tassen aufgestellt hatten. Charlotte erkannte ihn sofort wieder.
    » Jambo. Willst du noch Erdnüsse?«
    » Nein.«
    Ratlos sah sie Klara an, die die Schultern zuckte und mitleidig auf den Jungen blickte.
    » Er hat bestimmt Hunger, Charlotte. Schau, wie dünn er ist.«
    Der Junge sagte etwas auf Suaheli, das sie nicht gleich verstanden. Dann redete er langsamer, zeigte auf den Tisch mit den Gewürzen, stand auf und warf sich in die Brust.
    » Ich glaube gar, er will auf unsere Waren aufpassen.«
    » Aber das geht nicht«, meinte Charlotte. » Wir können ihn nicht bezahlen.«
    »

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