Himmel über dem Kilimandscharo
Gezeter, Gejammer, schrille Rufe, das Klappern von Blechgeschirr, gackernde Hühner– jemand schleppte einen hölzernen Lehnstuhl vorbei. Irgendwo im Tumult krähte ein Hahn, zornig, beharrlich, als wolle er die Menschen zu größerer Eile antreiben.
Die Schlafenden im Nachbarzelt schien der Tumult nicht zu kümmern. Dort übernachteten die beiden Deutschen, ein Biologe und ein Maler, die ebenfalls mit der Karawane reisen würden. Man hatte sich gestern Nachmittag kennengelernt, als Charlotte mit dem Küstendampfer in Pangani ankam; die Herren waren bereits seit einigen Tagen hier, hatten sich in ihrem Zelt eingerichtet und Charlotte zum gemeinsamen Abendessen eingeladen. Staunend hatte sie festgestellt, dass diese reiseerfahrenen Männer Tisch und Stühle, sogar zwei Lehnstühle und zahlreiche Koffer mit allerlei Dingen mitführten, ohne die– so behaupteten die beiden– eine solche Safari kaum erträglich sei. Sie hatten sie wissen lassen, dass gegen fünf Uhr in der Früh, gut eine Stunde vor Sonnenaufgang, das übliche Gezänk zwischen den Trägern losgehen würde, von denen jeder gern die leichteste Last ergattern wolle. Zudem habe jeder Träger seinerseits einen Lastenträger angemietet, der von ihm entlohnt würde. Man müsse bedenken, dass die Schwarzen sich selbst versorgten und daher Kochgeschirr, Bastmatte und Lebensmittel für einige Tage mitführten, und das nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Frauen und Kinder. Es lohne sich jedoch nicht, zu dieser Zeit schon aufzustehen, denn ein Weißer sei bei diesem Getümmel vollkommen fehl am Platze. Viel klüger sei es zu warten, bis der Koch das Frühstück bereitet habe, danach könne man sich immer noch in Ruhe reisefertig machen.
Als ob ein Mensch bei diesem Krach hätte schlafen können! Es war überwältigend und erschreckend zugleich, ein lärmendes, wimmelndes Inferno bei rötlichem Flammenschein, das sie nur aus sicherer Entfernung zu bestaunen wagte, denn hätte sie sich in diesen brodelnden Kessel hineinbegeben, wäre sie unweigerlich darin zerrieben worden. Wie sollte aus diesem Chaos jemals eine Karawane werden? An einem der Feuer entdeckte sie einige hell gewandete Araber, die dort in aller Ruhe schwatzten und rauchten und es den Trägern überließen, ihren Streit unter sich auszumachen. Diese Männer waren die eigentlichen Herren der Karawane und Kamal Singh für das Gelingen des Unternehmens verantwortlich, doch wie es schien, griffen sie nur dann ein, wenn ihre Zeit gekommen war.
In den stechenden Rauch mischte sich jetzt der Duft nach Kaffee und heißem Erdnussöl. Nebenan wurde die Zeltbahn beiseitegeschlagen, und im Lichtschein der Petroleumlampe war das scharfe Profil des jungen Malers Anton Dobner zu erkennen. Er gähnte ausgiebig, rieb sich den rötlichen Dreitagebart und fuhr sich mit den Fingern durch das wirr emporstehende blonde Haar. Als er Charlotte erblickte, grinste er.
» Nun? Habe ich Ihnen zu viel versprochen?«
» Keineswegs. Ich fürchte nur, vor heute Abend werden wir nicht aufbrechen können.«
» Unsinn! Es dauert zwar ein wenig, aber für gewöhnlich einigen sie sich schneller, als man es für möglich hält.«
Er zog den Kopf wieder zurück, und sie hörte, wie er im Zelt leise mit Dr. Meyerwald redete. Beklommen stellte sie fest, dass man die Schattenrisse der Männer durch den Stoff hindurch sehen konnte, wenn das Zelt von innen beleuchtet war. Also hatten die beiden gestern auch sie beobachten können, wie sie das Kleid auszog und die von Klara unter vielen Bedenken genähte Hose anlegte. Sie war weit geschnitten, dennoch hatte sie lange zupfen und ziehen müssen, weil sich ihre halb lange Unterhose darunter verknäulte. Auf das Mieder hatte sie trotz aller Bedenken nicht verzichten mögen, es war jedoch locker geschnürt, und sie trug ein weites, langärmeliges Baumwollhemd darüber, das sie mit einem Gürtel in der Taille zusammenfasste. Die teuersten Stücke ihrer Ausrüstung waren das Feldbett, der Tropenhelm und die Schuhe gewesen.
Humadi, der boy, den Kamal Singh für sie angemietet hatte, tauchte jetzt aus der Dämmerung auf, einen Becher und einen Teller voller kleiner, flacher Fladen in den Händen. Er war ein hübscher Junge mit rundem Gesicht und kahl geschorenem Schädel. Er trug das lange Gewand und die Mütze, die die Angestellten der Weißen bevorzugten, und sein Lächeln war eine Mischung aus Staunen und Herzlichkeit.
» Jambo. Guten Morgen. Humadi bringt Frühstück. M’se
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