Himmel über dem Kilimandscharo
alles aufessen. Weg ist lang und viel mühsam laufen…«
Er sprach Suaheli, gemischt mit deutschen und arabischen Ausdrücken; es waren auch einige Worte in einer fremden Sprache dabei, vermutlich die der Wanjamuesi, des Stammes, dem er angehörte.
» Jambo, Humadi. Bist du schon einmal mit einer Karawane gereist?«
» Viel Male«, antwortete er stolz. » Als ich kleines Kind war, ich gehe mit Karawane nach Tabora. Dann bwana Singh hat mich zum boy gemacht. Jetzt wir alle mit Karawane zum Kilimandscharo. Berg von Dschagga und von bösem Geist.«
Charlotte lachte und machte sich über das Frühstück her. Der sehr dünne Kaffee hatte einen erdigen Geschmack, die in Erdnussfett gebackenen Hirsefladen waren hart wie Schuhsohlen, doch der Akazienhonig, mit dem sie bestrichen waren, machte alles wieder wett. Jetzt endlich war am östlichen Himmel ein fahler Lichtstrahl zu sehen, der immer höher stieg und sich in weitere, schmalere Lichtbänder aufteilte. Die Nacht schwand von Minute zu Minute, nun erkannte man die vielen Zelte, die viereckigen großen und kleinen Lastenbündel, um die die Träger sich immer noch eifrig stritten, und konnte Buschwerk und Stämme unterscheiden. Nur die Baumkronen lagen noch in einer weißlichen Nebelschicht, die sich nur langsam hob. Drüben fluchte der Biologe Meyerwald über das verdammte Sorghum-Gebäck, an dem man sich fast die Zähne ausbiss, während schon einige schwarze Diener im Zelt hantierten, die Feldbetten geräuschvoll zusammenklappten, Kisten zuschlugen, Stühle davonschleppten. Jetzt suchten sie auch Charlottes Zelt auf, um alles zusammenzupacken, und sie war froh, dass sie ihren einzigen Reisekoffer bereits geschlossen hatte– es wäre ihr peinlich gewesen, wenn die schwarzen Diener ihre Unterwäsche gesehen hätten.
Dr. Meyerwald tauchte vor seinem Zelt auf, den Kaffeebecher in der Hand, einen Hirsefladen in der anderen, mit vollem Mund Befehle auf Suaheli bellend. Vermutlich sorgte er sich um seine Ausrüstung, die gerade davongeschleppt wurde. Als er Charlotte erblickte, grüßte er sie mit einer höflichen Verbeugung und bemerkte, dass es sehr klug von ihr sei, für die Reise passende Kleidung angelegt zu haben. Sein dichter, schwarzer Vollbart ließ nur schwer erkennen, ob er dabei grinste, aber sein Tonfall war keineswegs ironisch gewesen. Nun, die beiden Herren hatten schon viele Reisen gemeinsam unternommen, wahrscheinlich war ihnen der Anblick einer Europäerin in Hose nicht ganz ungewohnt.
Sie ärgerte sich über ihre Befangenheit, zupfte ihr langes Hemd zurecht und griff nach einem zweiten Hirsefladen. Während die Diener hinter ihr das Zelt abbauten und die Tücher zusammenrollten, beobachtete sie neugierig, wie die Reisevorbereitungen auf der weiten Lichtung weiter voranschritten.
» Die Träger haben ihre Anführer«, erklärte Dr. Meyerwald, der schon gestern Abend eifrig bemüht gewesen war, ihren Wissensstand zu erweitern. Er sprach sehr flüssig und ein wenig monoton, sie konnte sich gut vorstellen, wie er vor einem gefüllten Hörsaal Vorlesungen über afrikanische Insekten hielt. Nur das Gewehr, das er sich jetzt über den Rücken hängte, und der breite Patronengürtel passten nicht zu dieser Vorstellung.
» Die einzelnen Gruppen sind stets vom gleichen Stamm und lagern an den Abenden immer zusammen. Schauen Sie sich einmal die Warenballen an. Man hat die Stoffe gestern aufeinandergelegt und in Bastmatten eingewickelt, danach mit Kokosstricken zusammengezurrt, mit Fäusten und Stöcken darauf herumgeschlagen, bis das Lastenbündel klein und steinhart wurde. Jetzt binden sie Stangen daran, immer drei an einen Ballen, so muss der Träger, der die Last auf dem Rücken hat, sich nur ein wenig zurücklehnen, wenn er den Ballen abstellt, dann steht das Zeug auf den Stangen. So braucht er sich nicht zu bücken und kann es leichter wieder aufnehmen…«
Die Ballen waren unterschiedlich schwer, manche wogen nur fünfzig, andere bis zu hundert Pfund– und sie begriff, weshalb die Träger sich gestritten hatten. Sie sah nicht zum ersten Mal eine Karawane– wie Dr. Meyerwald offensichtlich annahm–, in Daressalam trafen regelmäßig Waren aus dem Landesinneren ein, vor allem die langen Stoßzähne der Elefanten. Doch bisher hatte sie nicht darüber nachgedacht, welche unfassbar schwere Lasten diese Männer tragen mussten. Nur selten führten Karawanen Esel oder Maultiere mit, die doch nur an irgendwelchen Krankheiten starben oder von wilden Tieren
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