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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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neben ihren Mann, zog ihm die stinkende Jacke vom Körper und versuchte, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Sie schüttelte ihn, rief seinen Namen, bat ihn, sich zusammenzunehmen, doch erst als sie ihm mehrere kräftige Ohrfeigen verpasste, regte er sich.
    » Steh auf, verdammt. Willst du, dass uns die Löwen fressen?«
    Tatsächlich rappelte er sich langsam auf alle viere, kroch durch den Schlamm und kam schließlich auf die Füße. Torkelnd schleppte er sich ein Stück voran, stolperte und sackte wieder in sich zusammen. Sie musste all ihre Kraft zusammennehmen, um ihn zu stützen.
    Der Mond war aufgegangen und tauchte Trümmer, Buschwerk und Weg in bläuliches Licht, ließ zitternde Schatten wachsen und Palmen zu schwebenden, vielarmigen Geisterwesen werden. Christian lastete so schwer auf ihr, dass sie an den Marktunterständen eine Pause einlegen musste. Völlig erschöpft ließ sie ihn zu Boden gleiten und lehnte sich gegen einen der Pfosten, vernahm nichts als das gellende, lang gezogene Zirpen der Grillen und das hastige Pochen ihres Herzens. In ihrem Inneren herrschte eine eisige Leere, sogar die Angst vor den umherstreunenden Löwen war vergangen. Als sie zu Tode erschöpft in der Inderstraße ankamen, ließ sie Christian unten im Laden liegen, stolperte die Treppe hinauf und warf sich auf ihr Lager. Lange lag sie vollkommen reglos auf dem Bauch, wartete auf die Tränen, den Zorn, die Verzweiflung, doch sie blieben aus.

» Wie kannst du so grausam sein, Charlotte?«, fragte Klara in sanftem Ton. » Er hat bereut und seine Sünden vor den Herrn getragen. Christi Blut hat auch deinen Mann erlöst, Gott hat ihm vergeben.«
    Es war Juni, und die Trockenperiode hatte eingesetzt, ein kühler Südostwind wehte über die Küste, beugte die hoch aufgesprossenen Gräser und trug den Duft der blühenden Akazien und Tamarindenbäume über die Stadt.
    » Ich kann ihm nicht vergeben!«
    Christian hatte wochenlang wie ein Fremder in der Wohnung gelebt. Charlotte sprach kein Wort mit ihm, sah durch ihn hindurch, als wäre er nicht vorhanden, seine verzweifelten Bitten und Selbstbeschuldigungen ließen sie gleichgültig. Tagsüber ging sie schweigend an ihm vorüber, kümmerte sich um ihr Geschäft, sorgte für Klara und Schammi, in der Nacht schlief sie bei ihrer Cousine. Christian hatte tagelang vor sich hin gebrütet, dann versuchte er eine Weile, sich im Laden nützlich zu machen, übernahm Botengänge, die eigentlich Schammis Aufgabe waren, versuchte sogar, die Wäsche zu waschen. Es war alles umsonst– der Stachel saß zu tief. Niemals hätte Charlotte es für möglich gehalten, dass ihr Mann sie mit einer anderen betrog. Dass er Freude daran haben konnte, mit einer Hure– denn was waren diese schwarzen Frauen anderes?– das Lager zu teilen. Jetzt war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen: die vielen Nächte, die er früher angeblich wegen seiner Geschäfte in Hamburg oder Bremen verbracht hatte. Sein langes Ausbleiben, damals, als das Geschäft in Konkurs ging– oh, er hatte sie schon immer abscheulich belogen und hintergangen. Sie hatte ein Scheusal geheiratet; es schauderte sie, ihn auch nur anzusehen, hätte er sie auch nur mit dem kleinen Finger gestreift, sie hätte vor Abscheu laut aufgeschrien.
    » Ich will die Scheidung.«
    Er hatte ihr keine Antwort gegeben, sondern sich nur bleich und schweigend vor ihr zurückgezogen. Es war Klara, die sich– selbst kaum von ihrem Fieber genesen– rührend um Christian bemühte, lange Gespräche mit ihm führte und ihn am Sonntag mit in die Missionsstation nahm. Christian war niemals wirklich fromm gewesen, doch jetzt, in seiner Verzweiflung, suchte er Halt in der protestantischen Lehre. Pfarrer Peter Siegel lud ihn ein, sein Herz zu erleichtern, redete ihm ins Gewissen, forderte eine Abkehr von der Sünde, und als Christian dieses aus tiefstem Herzen gelobte, erklärte der Missionar ihm, dass Gott der Herr den reuigen Sünder auf den rechten Weg geleite. Er müsse Geduld zeigen und den Beweis erbringen, dass es ihm Ernst sei, dann würde auch seine Frau ihm verzeihen.
    Um Charlotte von der Ernsthaftigkeit seiner Umkehr zu überzeugen, siedelte Christian im April in die Missionsstation über, half beim Ausbau der Gebäude, der Bestellung des Gartens und– wie Klara voller Begeisterung berichtete– unterrichtete auch die Missionsschüler, brachte ihnen das Rechnen und die deutsche Sprache bei.
    Klara besuchte Christian häufig, schilderte Charlotte seinen

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