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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Händen klammerte sie sich an der Mähne des Tieres fest. War das noch der Pfad? Zweige schlugen ihr vor die Brust, streiften ihr Gesicht, rissen ihr das Tuch vom Kopf; sie vernahm ein Rauschen, als sei ein Gewässer in der Nähe, dann plötzlich war sie von braunen Gestalten umringt. Blattförmige Lanzenspitzen schienen aus dem Buschwerk emporzuwachsen, weiß und rot bemalte Gesichter, rollende Augen, Arme reckten sich ihr entgegen, griffen die herabhängenden Zügel ihres erschrockenen Maultiers…
    Ein zentnerschweres Gewicht schien auf sie zu fallen. Sie würgte, erbrach sich, spürte, dass sie aus dem Sattel rutschte und in die Tiefe stürzte. Doch da war kein Aufprall, nur das grässliche Gefühl, in bodenlose Dunkelheit zu gleiten. Ihre Hände krallten sich in trockenes Gras, Gezweig, braunen Erdboden. Die bleierne Last, die sich auf sie gelegt hatte, raubte ihr den Atem, zwang sie, sich immer wieder zu übergeben.
    » Charlotte!«, rief eine weit entfernte, verzweifelte Stimme.
    Ihr Magen brannte wie Feuer, das in Windeseile ihren ganzen Körper erfasste. Stöhnend krümmte sie sich zusammen.
    » Charlotte! Nein! Lasst mich! Charlotte!«
    Doch Charlotte nahm nichts anderes mehr wahr als den höllischen Schmerz, der ihren Bauch wie eine Schraubzwinge zusammenpresste.

Max von Roden hatte sich zusammennehmen müssen, sonst hätte er wohl noch eine Weile dagestanden, um den drei Davonreitenden nachzustarren. Was war bloß los mit ihm? Es gab jede Menge Arbeit: Drüben bei den Angestellten wurde gebaut, da wollte er gleich mit dem Lot nachmessen, denn die Afrikaner mauerten gern einmal schiefe Wände. Dann musste er ein Auge darauf haben, dass die Löcher für die Setzlinge tief und breit genug gegraben und mit lockerer Erde angefüllt wurden. Im Stall sollte einer seiner Ochsen das Futter verweigert haben, hoffentlich hatte sich da keine Seuche eingeschlichen.
    Während er zur Baustelle eilte, dachte er darüber nach, dass er unbedingt einen weißen Vorarbeiter brauchte, am besten sogar zwei, aber es war nicht leicht, gute Leute zu finden. Den Dänen hatte er wieder fortschicken müssen, weil er an der Flasche hing. Ein Deutscher aus Leipzig hatte sich nach ein paar Wochen einer Gruppe Goldsucher angeschlossen.
    Er brauchte nicht einmal das Senkblei zu benutzen, schon mit bloßem Auge war zu erkennen, dass sich die frisch gesetzte Lehmziegelmauer ordentlich nach innen neigte. Da half nur abreißen und neu aufmauern. Es dauerte eine Weile, den schwarzen Arbeiter davon zu überzeugen; Makwetu fand alle möglichen Ausreden und versicherte ihm hoch und heilig, den Fehler noch ausgleichen zu können. Aber mit schiefen Wänden wollte Max von Roden gar nicht erst anfangen. Makwetu hatte sich bisher recht geschickt angestellt, da lernte er sicher auch noch, anständige Mauern hochzuziehen.
    Nachdem sie gemeinsam das Werk zweier Stunden Arbeit umgestoßen hatten, ging er dem Schwarzen ein wenig zur Hand und schaute ihm dann noch eine Weile mit kritischen Augen zu. Dabei kam ihm unversehens wieder das Bild der drei Reiter in den Sinn, die hell gekleidete Frau in der Mitte, ein goldenes Tuch um das schwarze Haar geschlungen. Es stand ihr gut, es passte zu ihren dunklen Augen, die manchmal wie goldgelber Bernstein glänzten. Gestern Abend, als sie miteinander Klavier gespielt hatten, war er von diesen Augen voll und ganz in Bann geschlagen worden. Sie konnten unglaublich verträumt schauen, wenn sie sich in die Musik versenkte. Wenn er allerdings aus Versehen danebengegriffen oder einen Einsatz verpasst hatte, war der sanfte Ausdruck in ihrem Blick verschwunden, und sie hatte ihn energisch angeblitzt… Er fragte sich, ob sie mit ihrem Mann glücklich war. Auf Christian Ohlsen schien eine düstere Wolke zu lasten; schon auf dem Schiff war ihm das aufgefallen, und er hatte sie bewundert, mit welcher Sanftmut und Fürsorge sie ihm begegnete. Auch gestern Abend hatte sie…
    » Bwana muss kommen! Wurzel ist in Erde, groß und dick wie Bauch von Elefant. Niemand kann herausziehen!«
    » Sag Kapande, er soll mir ein Maultier satteln!«
    Während er zu den Stallungen hinüberging, ärgerte er sich über die Arbeiter, die in solchen Fällen gern resignierten und behaupteten, es sei unmöglich, an dieser Stelle Pflanzlöcher zu graben. Trotzdem wurde er das Bild nicht los: Charlotte Ohlsen in Männerkleidung, auf dem Maulesel reitend. Er hatte sie um die Taille gefasst und gespürt, dass sie ein Mieder unter der Jacke trug, was

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