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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Segen auf ihrem Lebensweg mitgeben.
    Außer den Großeltern war niemand erfreut über diesen Besuch. Paul war enttäuscht, dass Henrich nicht mitkam, der für sein Abitur büffeln musste, und Tante Fanny war seit dem Sommer ohnehin bis aufs Blut mit ihrer Schwester Edine zerstritten.
    » Also noch vor Ostern–«, sagte sie spöttisch. » Schmiede das Eisen, solange es heiß ist!«
    Charlotte hüllte sich in Schweigen. Der Schmerz, der sie anfangs ganz und gar vereinnahmt hatte, war während der vergangenen Wochen weniger geworden und mitunter ganz verschwunden, so dass sie sich fast sicher war, ihn besiegt zu haben. Dieses Mal wusste sie, was von dem jungen Mann zu halten war, er würde keine weitere Gelegenheit finden, sie zu enttäuschen. Er würde ihr einfach nur gleichgültig sein, mehr hatte er nicht verdient.
    Doch als sie George vor dem Haus aus der Kutsche steigen sah, wurde ihr dieser Vorsatz schwerer, als sie geglaubt hatte. Welch ein Unterschied bestand doch zwischen dem Bild in ihrer Erinnerung und dem wirklichen, lebendigen George, der mit einem einzigen Blick seiner grauen Augen, einer raschen Körperbewegung, einer Hebung seiner Stimme die alte Verletzung mühelos wieder aufbrechen ließ!
    Mit steifem Lächeln nahm sie das Geschenk entgegen, das er für sie aus England mitgebracht hatte: ein schmales Paket, in gelbes Seidenpapier eingewickelt.
    » Willst du es nicht auspacken?«
    Er sah sie mit erwartungsvollem Lächeln an, scheinbar überzeugt davon, ihr eine große Freude zu machen. Sie riss das Papier auf und fand ein Buch, in braunes Leinen gebunden; auf dem Deckel war ein Bild eingestanzt, das sie unter anderen Umständen neugierig gemacht hätte. Hohe, orientalisch anmutende Gebäude, davor mehrere Männer in langen Gewändern und Turban, die Silhouette einer Frau, die von Kopf bis Fuß in ein schwarzes Tuch gehüllt war. Am rechten Bildrand ritt ein Araber auf seinem Kamel durch eine angedeutete Wüstenlandschaft, alles schimmerte golden, als würde es von gleißender Sonne beschienen.
    » Danke. Sehr nett von dir!«
    » Es ist eine Reisebeschreibung: Thousand miles up the Nile von Amelia Edwards. Sie hat im Jahr 1873 Ägypten bereist und ist nilaufwärts gefahren– eine ganz und gar außergewöhnliche, mutige Frau…«
    » Aha…«, sagte Charlotte und genoss die Enttäuschung, die sie mit dieser offensichtlichen Gleichgültigkeit auslöste. Marie lachte hell auf, als sie das Geschenk sah, und neckte George, der Charlotte ein englisches Buch schenkte. Wie sollte sie es wohl lesen?
    Der Nachmittag zog vor Charlottes Augen vorbei, als stehe sie hinter einem Fenster und betrachte das Geschehen durch die Glasscheibe. Die Kaffeetafel in der Wohnstube, wo man wie immer eng beieinander hockte und sich mit den Ellenbogen berührte. George und Marie, die Seite an Seite saßen und sich heimlich unter dem Tafeltuch an den Händen hielten. Mennas und Ettjes dummes Gekicher, Paul, der den Kaffee verkleckerte, Tante Fannys versteinerte Miene, als ihre Schwester sie nach ihrem Befinden fragte. Am schlimmsten war die Rede von Onkel Peter, der das Predigen auch an der Kaffeetafel nicht lassen konnte. Er hielt eine nicht enden wollende Ansprache auf den zukünftigen Schwiegersohn, der ein so glänzendes Examen abgelegt habe und schon nach Weihnachten in der Praxis seines Vaters die ersten Patienten betreuen werde. Gewiss sei Gott dem Herrn zuallererst am Heil unserer Seelen gelegen, doch habe der Arzt, der den menschlichen Körper heile, eine nicht minder edle Aufgabe, denn Gott selbst habe Adam aus einem Erdenkloß geschaffen, und somit sei auch der Leib des Menschen ein göttliches Werk…
    Charlotte war froh, hin und wieder in die Küche laufen zu können, um Milch, Kaffee oder Tee nachzuholen. George gab sich unbefangen heiter, wie es seine Art war; ohne Mühe hatte er Ettje wieder versöhnt, und sogar Tante Fannys eisige Miene schmolz unter seinen Scherzen dahin. Ab und zu beugte er sich über den Tisch, um einige Worte oder eine Frage an Charlotte zu richten, dann antwortete sie mit knapper Höflichkeit und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Aber weshalb denn? Alle liebten ihn, er war in den Schoß der Familie aufgenommen worden und wärmte sich in der allgemeinen Herzlichkeit.
    Als sie mit Klara vom Abwaschen aus der Küche zurückkehrte, hatte man an der Tafel schon Wein und selbst gemachte Liköre aufgefahren, der Großvater war mit dem Schwiegersohn Peter in

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