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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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andererseits den Ausdünstungen der vielen Leute. Man saß auf roh gezimmerten Bänken im Halbkreis, die teuersten Plätze ganz vorn an der Manege hatten sogar Rückenlehnen, in den hinteren Reihen wurde es rustikaler, da knackte wohl auch mal das Holz, und man musste sich vorsehen, dass man nicht mitsamt dem wackligen Bänkchen umkippte. Etwa ein Drittel des runden Zeltinnenraums war mit bemalten Holzkulissen abgetrennt, man sah stilisierte Palmen und gedrehte Säulen, dazwischen orientalisch anmutende Schriftzeichen, auch schnörkelig vergitterte Haremsfenster, von denen die schwarze Farbe schon abgeplatzt war. In der Mitte dieses phantasievollen Machwerks befand sich ein dunkelroter, leicht zerschlissener Vorhang mit goldenen Schnüren– dort würde gleich der ziegenbärtige Schausteller erscheinen, um dem geneigten Publikum die ersten » Merkwürdigkeiten« zu präsentieren.
    Christian erspähte Charlotte vorn in der ersten Reihe zwischen ihren beiden Cousinen– Peter Hansen hatte ordentlich was springen lassen für diese Einladung. Wenn er sich vorbeugte, konnte er Charlottes Profil sehen, sie hatte eine zierliche Nase, die Lippen waren voll, der Mund war überhaupt ein wenig groß, was ihm jedoch gut gefiel. Die Hitze im Zelt hatte ihre Wangen rosig gefärbt, und sie fächelte sich mit einem Werbeblatt Kühlung zu. Peter Hansen hatte sein Schnupftuch aus der Tasche gezogen und wischte sich den Schweiß im Nacken.
    Ein Glöckchen läutete, und das Gemurmel der Zuschauer erstarb, in den hinteren Bänken fuhr man mit den Köpfen hin und her und reckte den Hals, um an den vorn Sitzenden vorbei auf die Manege sehen zu können.
    Der rote Vorhang wurde auseinandergezogen, und der Ziegenbart trat mit verheißungsvollem Lächeln vor das Publikum. Christian stellte fest, dass sowohl das Lächeln als auch der blaue, goldbetresste Anzug mit der Pluderhose unverändert waren, auch die Zahnlücke oben rechts war ihm von seinen früheren Besuchen her wohlbekannt. Während der Ziegenbart mit erstaunlich kräftiger, tiefer Stimme allerlei Überflüssiges schwafelte, beobachtete Christian gespannt Charlottes Gesicht. Sie hatte die schwarzen Augenbauen gesenkt und die Nase ein wenig hochgezogen– ganz offensichtlich fand sie den Burschen reichlich abgeschmackt.
    Jetzt wandte sie sich zu Klara, legte den Arm um ihre Schultern und wechselte lächelnd einige Worte mit ihr. Christian hatte sie noch niemals auf diese Weise lächeln sehen, so offen und voller Zärtlichkeit. Etwas durchzuckte ihn heiß, und er spürte einen leichten Schwindel. Es musste die verdammte stickige Luft sein oder das Geschwafel des goldbetressten Ziegenbocks da vorn. Es konnte aber auch an der Erkenntnis liegen, dass diese exotische Kostbarkeit, die er so gern sein Eigen genannt hätte, mehr war, als er bisher geglaubt hatte. Sie konnte fürsorglich sein, liebevoll, sich einem Menschen zärtlich zuwenden. Solche Eigenschaften hatte Charlotte Dirksen bisher geschickt vor aller Welt verborgen.
    Für einen Augenblick schloss er die Augen und überließ sich süßen Phantasien, bis er von rechts einen festen Stoß erhielt, als sein Nachbar aufsprang, um das vorn Dargebotene besser sehen zu können– allerlei Zeug, das zu Anfang der Vorstellung mit vielen lateinischen Ausdrücken, die kaum einer der Zuschauer verstehen konnte, angepriesen und herumgezeigt wurde, dazu wurden die passenden Schauergeschichten erzählt. So gab es zum Beispiel einen braunen Schrumpfkopf mit zugenähtem Mund aus dem fernen Polynesien; die Gebeine eines Engländers, der einem indischen Tiger zum Opfer gefallen war; selbst ein ausgestopfter Alligator aus dem Land der Pyramiden, in dessen weit aufgerissenem Maul eine Schlange steckte, war darunter. Angeblich hatte er sie gerade verspeisen wollen, als die Kugel des Jägers ihn traf. Charlottes Cousine Klara starrte mit weit aufgerissenen Augen auf diese grausige Sammlung, Peter Hansen fächelte sich mit dem Hut Kühlung zu, seine Frau Ettje war krebsrot im Gesicht, so dass man fast glauben konnte, sie würde gleich vor Hitze und Entsetzen zerfließen, doch das Glitzern in ihren Augen verriet, dass sie die Vorstellung sehr genoss. Charlotte hatte wieder die Brauen gefurcht, und ihre Miene drückte Abscheu aus.
    Jetzt war der Albino fällig, der vermutlich schon hinter dem Vorhang wartete, um von den beiden jungen Gehilfen hinausgeschoben zu werden. Es musste schwer für ihn sein, lebte er doch angeblich in seinem Heimatland unter der

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