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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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schaffen, herausfinden, was sie brauchen könnten, und ihnen dann all die hübschen Dinge anbieten, die noch draußen in den Lagerregalen warteten. Weshalb gab es keine Sonderpreise wie in anderen Geschäften? Das zog Kundschaft in den Laden. Und wieso lungerte der Lehrjunge faul im Lager herum und kaute Lakritzstangen? Sie hätte schon Aufgaben für ihn gefunden: Die Schaufensterscheiben mussten gewischt werden, die Ladentür knarrte und hätte eine Portion Öl vertragen können, und oben in den Regalen lag der Staub. Aber die Angestellten dachten nicht daran, ihre Anweisungen auszuführen, stattdessen erklärten sie boshaft, man werde Herrn Ohlsen fragen, ob diese Arbeiten nötig seien. Sie wussten ganz genau, dass die junge Frau Ohlsen hier unten im Geschäft nichts zu suchen und schon gar nichts zu sagen hatte.
    » Weshalb engagierst du dich nicht im Liederkreis?«, fragte Christian ärgerlich, als ihm Charlottes Besuche im Laden hinterbracht wurden. » Sie suchen jemanden, der sie am Klavier begleitet– das wäre doch eine Beschäftigung.«
    » Ich möchte etwas Sinnvolles tun!«
    Er seufzte tief und sah zur Zimmerdecke empor, als gäbe es dort oben jemanden, der seine Sorgen verstand.
    » In den Frauenkreisen der lutherischen Gemeinde strickt man Socken und Mützen für die Waisenkinder im Armenhaus. Soweit mir bekannt ist, werden kleine Geschenke zu Weihnachten eingepackt und in einer hübschen Feierstunde an die Kinder verteilt…«
    » Ich weiß…«
    Sie verzog abschätzig das Gesicht und brachte ihn damit zum Schweigen, resigniert nahm er sich den Leerer Anzeiger vor, studierte die Annoncen und vertiefte sich dann in eine Meldung über die Proteste im Reichstag gegen Bismarcks Entlassung. Sie betrachtete seine Stirn, auf der noch die waagerechten Runzeln zu sehen waren, die auch jetzt noch nicht verschwinden wollten, und sie musste an seinen Vater denken. Es hätte wenig Sinn gehabt, ihm zu erklären, dass sie sich unter den Frauen der lutherischen Gemeinde nicht wohlfühlte, dass sie keine Lust hatte, über kleine Kinder, Rezepte zum Einkochen von Früchten und gehäkelte Spitzenkragen zu reden und dass ihr die falschen Töne im Liederkreis Ohrenschmerzen bereiteten. Keine einzige dieser Schnepfen verstand etwas von Schifffahrt oder Geographie, denn wenn sie überhaupt Bücher lasen, dann waren es christliche Romane über fromme Pastorenfrauen.
    » Weshalb ziehst du dich nicht hübsch an, Charlotte? Immer das gleiche Kleid und dieses wollene Tuch um die Schultern!«
    » Ich friere.«
    Es war schon Ende März, doch der Winter behauptete sich hartnäckig gegen den herandrängenden Frühling, Eisschollen trieben auf der Leda, und die gefrorenen Wiesen drüben auf der Nesse glitzerten in der schräg einfallenden Morgensonne. Wie zum Hohn trafen haufenweise schlechte Nachrichten ein. Kantor Pfeiffer, Charlottes heiß geliebter und einziger musikalischer Vertrauter, erlag einer Lungenentzündung und wurde zu Grabe getragen. Er hatte verfügt, dass Charlotte seine Instrumente und Noten erhalten sollte, doch seine Schwester verteidigte diesen Besitz wie eine Furie, und so verzichtete Charlotte darauf. Er hatte ihr die Liebe zur Musik ins Herz gepflanzt, wozu brauchte sie also Noten und Instrumente? All die glücklichen Stunden, in denen sie miteinander musiziert hatten, waren in ihrer Erinnerung festgeschrieben, keinen Ton, keines seiner Worte würde sie je vergessen, auch nicht seine Begeisterung und seinen lebenslangen Dienst an den großen Meistern, die er so tief verehrt hatte.
    Der Großvater machte Sorgen, auch mit seiner Gesundheit ging es steil bergab. Mal machte ihm das Herz zu schaffen, mal der Rücken, dann wieder konnte er schlecht Luft bekommen, so dass man das Schlimmste befürchtete. Tante Fanny oder die Großmutter musste ihn ankleiden und im Arbeitszimmer auf den Sessel setzen, die Treppe hinunter in die Wohnstube schaffte er nicht mehr aus eigener Kraft, und die beiden Frauen konnten ihn nicht tragen. Ettje vermochte kaum zu helfen, sie erwartete wieder ein Kind, das dritte inzwischen, das unbedingt ein Mädchen werden sollte, denn es lärmten bereits zwei muntere Buben im Haus. Wie oft hatte Ettje ihre Cousine Charlotte beneidet– nun war es umgekehrt, Ettje war eine glückliche Mutter, während Charlotte sich nutzlos und überflüssig vorkam.
    Als die Nachricht eintraf, dass Paul durchs Abschlussexamen gefallen war, lief Christian im Salon hin und her, beide Hände an die Stirn gelegt.
    »

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