Himmel über dem Kilimandscharo
ihren Leib wie ein glühender Ring und schnürte ihn ein. Sie krümmte sich zusammen und wollte sich am Nachttisch abstützen, doch sie fand keinen Halt. Ein Stapel Bücher, der auf dem Tischchen gelegen hatte, fiel polternd auf die Dielen, gleichzeitig schien sich eine bleischwere Hand auf sie zu legen, die sie unerbittlich zu Boden drückte.
» Charlotte! Bitte… komm zu dir. Sag etwas. Ich bin doch bei dir…«
» Es… es tut so weh…«
Sie lag dicht vor dem Bett, ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr, sobald sie nur den Kopf hob, fing das ganze Zimmer an zu kreisen. Zwischen ihren Beinen war etwas Schleimiges, Warmes, etwas Fremdes, das doch von ihr selbst stammte.
» Ich wecke das Mädchen«, wisperte Klara, die neben ihr kniete. » Sie wird Doktor Holzmann holen. Bleib ganz still liegen.«
Undeutlich nahm sie wahr, dass Klara aus dem Zimmer humpelte, hörte ihre aufgeregte Stimme im Treppenhaus, die ihr hell erschien und ungewohnt energisch. Das Mädchen jammerte, sie habe Angst bei diesem Sturm, es sei stockdunkel, und die Windsbräute trieben sich um. Klara humpelte in den Flur zurück, ein Kleiderbügel fiel auf den Fußboden, dann schlug die Wohnungstür zu.
Charlotte schloss die Augen und versuchte, das Zittern unter Kontrolle zu bringen, das ihren Körper schüttelte. Der Schmerz war jetzt vergangen, kehrte auch nicht wieder, zurück blieben das Hämmern ihres Herzens und eine gewaltige Erschöpfung.
» Klara? Klara!«
Sie war fort. War sie am Ende selbst losgegangen, um den Doktor zu holen? Nur mit einem Tuch über dem Nachtgewand? Was für ein Unsinn, es war doch vorbei. Kein Schmerz mehr, auch der Schwindel hatte sich gelegt, nur das Zittern wollte nicht von ihr weichen. Vorsichtig setzte sie sich auf, öffnete die Knöpfe ihres Nachthemds, streifte es herunter, wischte sich das Blut zwischen den Beinen damit ab. Sie wollte nicht wissen, was in seinen Falten verborgen war, ließ es am Boden liegen und ging unbekleidet hinüber zur Kommode, um sich ein frisches Hemd zu nehmen.
Als Dr. Holzmann nach über einer Stunde zusammen mit der völlig durchgefrorenen Klara in der Wohnung erschien, lag Charlotte im neu bezogenen Bett auf Christians Seite, die Matratze war ausgewaschen, weiße Tücher waren darüber gebreitet. Auch das blutige Hemd war verschwunden, sie hatte es in einen Eimer gestopft und die Treppe hinunter in den Hof getragen.
» Ein Abortus«, knurrte der Arzt, der seinen Ärger über die anscheinend überflüssige nächtliche Ruhestörung nur mühsam zurückhielt. » Haben Sie getanzt? Sich unmäßig stark bewegt?«
» Nein.«
» Sie wissen doch, dass eine Schwangere ruhig und zurückgezogen leben sollte. Leichte Speisen, keinen Kaffee oder gar Alkohol, früh zu Bett gehen. Keine Aufregungen.«
» Ja.«
Er verzichtete darauf, sie zu untersuchen, verordnete Bettruhe, stärkende Speisen, ab und an ein Gläschen Rotwein zur Blutbildung. Dann kassierte er sein Honorar, das natürlich höher ausfiel wegen der nächtlichen Stunde. Klara musste hinunter in den Laden laufen, so viel Bargeld bewahrten sie nicht in der Wohnung auf.
Charlotte hörte nicht mehr, wie er das Haus verließ, um durch Wind und Wetter zu seinem noch schlafwarmen Bett zurückzukehren. Sie spürte nur eine abgrundtiefe Müdigkeit und eine seltsame Leere, so als ginge sie alles, was geschehen war, nichts mehr an. Nur schlafen, tief in den Brunnen des Vergessens sinken, dorthin, wo man in kühler Dunkelheit dahintrieb, traumlos, bewusstlos, ohne Erinnerung.
Die Verzweiflung, mit der Christian die Nachricht am folgenden Tag aufnahm, rührte sie. Er überließ den Laden den Angestellten und saß den Nachmittag über an ihrem Bett, hielt ihre Hand, vergoss Tränen und bat sie inständig, bald wieder gesund zu werden.
» Es ist nicht deine Schuld, Charlotte…Du hast nichts falsch gemacht… Es war das Schicksal…«
Er scheuchte Klara und das Mädchen, allerlei Dinge für Charlotte zu besorgen, zankte mit der Köchin, und am Abend überraschte er seine Frau mit einem goldenen Ring in Form einer gewundenen Schlange.
» Ich habe ihn in Bremen für dich gekauft, mein Herz. Schau, er passt wie angegossen an deinen Finger. Habe ich gut gewählt?«
Sie tat, als freue sie sich, um ihn nicht zu kränken. Insgeheim jedoch fand sie ein solches Geschenk weit übertrieben. Auch sein übergroßer Kummer und seine Bemühungen, ihr das Krankenlager so angenehm wie möglich zu machen, belasteten sie eher, als dass sie ihr
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