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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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kein Verbrecher. Er war leichtfertig, unbedacht, gewiss auch feige, aber er hatte niemanden erschlagen. Nein, sie würde nicht zulassen, dass man ihn ins Zuchthaus sperrte. Er war ihr Ehemann, sie hatte gelobt, zu ihm zu halten, in guten und in schlechten Zeiten. Sie würde für ihn kämpfen.
    Die Großmutter war der gleichen Meinung. Christian Ohlsen hatte schwere Sünde auf sich geladen, aber er gehörte immer noch zu ihrer Familie. Ein Zuchthäusler hätte das Ansehen von Pastor Henrich Dirksen und seiner Familie endgültig ruiniert.
    » Seht nach dem Kranken– ich gehe zu Dekan Claasen. Die Lutheraner müssen sich für uns einsetzen, das ist ihre Christenpflicht!«
    Als sie durchgefroren und mit triefendem Regenschirm von ihrer Mission zurückkehrte, war sie aufgebracht.
    » Dein Mann hat anschreiben lassen und das Geld nie eingefordert, dieser Dummkopf. Das heißt wirklich, die Gutmütigkeit zu weit treiben! Jeder arme Schlucker hatte bei ihm Kredit, konnte sich mit Reis, Kaffee und Schuhwichse versorgen, ohne jemals bezahlen zu müssen.«
    Immerhin war Dekan Claasen der Meinung, dass Christian Ohlsen kein schlechter Mensch sein könne, habe er doch ein Herz für die Armen gehabt. Wenn auch eher aus Schlamperei denn aus christlicher Nächstenliebe.
    Charlotte rang mit sich, dann überwand sie ihren Widerwillen und stattete Frau Sundermann in der Königstraße einen Vormittagsbesuch ab. Sie hatte immer eine Vorliebe für Charlotte gehabt, vielleicht konnte sie Einfluss auf ihren Mann nehmen.
    Das Dienstmädchen starrte sie durch den Türschlitz an, auf ihre Frage, ob Frau Sundermann Zeit habe, sie zu empfangen, wisperte sie: » Ich weiß nicht…«
    Noch vor einigen Wochen wäre Frau Sundermann ihr mit überschwänglicher Begeisterung entgegengelaufen, hätte Tee und Kuchen aufgefahren und Charlotte bestürmt, ihr einige Stücke auf dem Klavier vorzuspielen. Jetzt ließ sie sich Zeit, die Besucherin stand im Regen vor der Haustür und wartete mit bangem Herzen. Schließlich verkündete das Mädchen, Frau Sundermann erwarte sie, könne jedoch nur wenige Augenblicke erübrigen. Sie nahm Charlotte den Regenschirm ab– nicht jedoch den nassen Mantel– und ging voraus in den ersten Stock, wo sich die Wohnräume befanden.
    » Meine Liebe! Wie freue ich mich, Sie zu sehen. Ach, das Schicksal meint es oft nicht gut mit uns. Treten Sie doch näher, ich bin leider sehr in Eile, aber für ein paar Worte ist immer Zeit…«
    » Wie schade, dass ich ungelegen komme. Ich möchte Sie nicht aufhalten…«
    Charlotte lächelte unbefangen, sie kam nicht als untertänige Bittstellerin, würde nicht darauf beharren, angehört zu werden. Ihr Gegenüber zögerte, dann siegte Frau Sundermanns empfindsame Seele über alle Vorbehalte.
    » Setzen Sie sich doch, liebe Freundin. Geben Sie mir Ihren Mantel. Um Himmels willen– er ist ja völlig durchnässt. Grete! Weshalb hast du Frau Ohlsen nicht den Mantel abgenommen…«
    Sie nahmen Platz, Frau Sundermann ließ Tee und Gebäck bringen, und es war keine Rede mehr von einer dringenden Verpflichtung. Stattdessen ließ Frau Sundermann ihrem Herzen freien Lauf.
    » Dass dies gerade Ihnen geschehen musste! Einer solch wundervollen Künstlerin. Was für schöne Feste haben wir miteinander gefeiert! Wie einfühlsam haben Sie stets begleitet! Und Ihre Soloeinlagen… Ich war zu Tränen gerührt…«
    Charlotte schwieg und hörte zu. War sie wegen ihres Klavierspiels gerührt oder wegen des geschäftlichen Desasters? Es war nicht leicht herauszubringen, denn Frau Sundermanns Gefühle flossen leicht ineinander. Sie bedauerte, dass es den schönen Laden nicht mehr gab, sie habe so gern bei Herrn Ohlsen gekauft. Was für ein höflicher, reizender Mensch. Wer hätte das von ihm gedacht?
    » Auch ich hatte das nicht erwartet…«, warf Charlotte vorsichtig ein und nippte an ihrer Teetasse.
    » Es wird Sie sicher freuen, dass der Laden bald neu eröffnet wird…«
    Moritz Schmidt, ein Vetter von Sundermann, hatte Haus und Ladeneinrichtung ersteigert. Er würde sein kleines Geschäft in der Osterstraße schließen und in der Pfefferstraße einen Kolonialwarenladen einrichten. Zwar ein wenig bescheidener als Ohlsen, aber er würde selbstverständlich alles anbieten, was Frau Sundermann so gern bei Ohlsen gekauft hatte.
    Wie schön, dachte Charlotte bitter. Sundermann hatte seinem Vetter Haus und Laden günstig verschafft, und seine Frau kann wieder die Schnurrbartwichse für ihren Ehemann einkaufen.

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