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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Port Said hatte sich das Vorderdeck mit zahlreichen neuen Mitreisenden gefüllt, orientalisch gekleidete Farbige verschiedener Hautschattierungen, die sich mit ihren Bündeln und Lasten auf Liegestühlen und Deckplanken eingerichtet hatten. Nur wenige von ihnen benutzten die Kojen im Zwischendeck, wo man wegen des Maschinenlärms, der Hitze und der stickigen Luft kaum Schlaf fand. Die meisten verbrachten die Nächte in Decken eingewickelt unter freiem Himmel.
    Christian zog seufzend den Arm zurück, konnte es aber nicht lassen, dabei mit der Hand spielerisch über ihren bloßen Nacken zu gleiten. Eines der kleinen Löckchen blieb an seinem Finger hängen, und Charlotte zuckte zusammen, als er ungeschickt daran riss.
    » Entschuldige, mein Herz. Das geschah nicht mit Absicht.«
    » Schon gut…«
    » Es ist wirklich sehr heiß. Und die Landschaft ist auch nicht gerade abwechslungsreich. Kein Wunder, dass du so bedrückt bist, mein Liebes…«
    » Ich bin nur ein wenig müde.«
    Kleine Fischerboote wurden in Ufernähe gerudert, das Segel zu setzen machte heute wenig Sinn, denn es herrschte Flaute. Hinter ihnen hatte sich ein Streit zwischen den neuen Mitreisenden erhoben; sie hörten die rasche, aufgeregte Rede einer Frau, die die anderen übertönte. Die Worte klangen abgerissen, überstürzten sich, Laute kamen darin vor, die sie noch nie zuvor vernommen hatten.
    Christian lüftete für einen Moment seinen Hut, setzte ihn jedoch gleich wieder auf, als fürchte er, sich ohne Kopfbedeckung einen Sonnenstich einzuhandeln. Charlotte hatte versäumt, einen seiner hübschen, leichten Strohhüte vor der Versteigerung zu retten, es war ärgerlich, doch er machte ihr deshalb keinen Vorwurf. Trotz der Hitze trug er beharrlich seinen dunklen Anzug, den Klara ihm enger genäht hatte, und den schwarzen Hut gegen die Sonne. Hemdsärmelig herumzulaufen, wie es einige der Mitreisenden der dritten Klasse taten, kam für ihn nicht in Frage. Das einzige Zugeständnis, das er sich erlaubte, war, dass er sich die Weste unter der Jacke ersparte.
    » Weißt du, ich habe mir überlegt, dass es purer Unsinn wäre, sich an einem Ort wie Daressalam niederzulassen«, fuhr er fort. » An der Küste sollen tropische Temperaturen herrschen, wahrscheinlich ist die Gegend sogar sumpfig, da kann man leicht Fieber bekommen.«
    Sie schwieg, wie immer, wenn er ihr seine Pläne unterbreitete. Vielleicht hatte er ja gar nicht so unrecht, es waren schon viele Europäer am Tropenfieber gestorben, und man wusste, dass die Feuchtgebiete daran schuld waren. Es wurde daher empfohlen, regelmäßig eine kleine Dosis Chinin einzunehmen. Sie würde dieses Medikament besorgen, sobald sie vor Anker gegangen waren; auch wenn es Geld kostete, so schien ihr diese Maßnahme doch wichtiger zu sein als alles andere.
    » Wir sollten in die Berge ziehen, Charlotte. Nach Usambara, wo die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft gerade Plantagen anlegen lässt. Oder zum Kilimandscharo.«
    » Zum Kilimandscharo? Wie kommst du denn darauf?«
    » Dort soll es Plantagen geben. Sie bauen Bananen an. Oder Kaffee– ich weiß es nicht genau. Auf jeden Fall ist das Klima in den Bergen viel angenehmer und gesünder als an der Küste.«
    Kilimandscharo! Es hörte sich so verlockend an, dass sie für einen Moment ihren geheimen Kummer vergaß. Jener gewaltige Berg, der sich aus der Steppe erhob und seinen schneebedeckten Gipfel bis in die Wolken reckte. Ob er in Wirklichkeit ebenso großartig aussah wie auf der Zeichnung, die sie samt dem Kästchen in Leer zurückgelassen hatte? Doch gleich darauf schüttelte sie diese Gedanken ab. Die Zeit der Träume war vorüber. Vielleicht würde sie diesen wundersamen Berg eines Tages mit eigenen Augen sehen. Später. Die Stadt Kairo würde sie gewiss niemals zu sehen bekommen, sie durfte es nicht, sie wollte es nicht. Sie würde George schreiben. Später.
    » Um eine Plantage anzulegen, braucht man viel Geld, Christian.«
    » Ach Unsinn, Charlotte! Was ist los mit dir? Ich erkenne dich ja kaum wieder. Noch in Hamburg warst du voller Zuversicht, und jetzt redest du nur immer von dem Geld, das wir nicht haben.«
    » Aber es ist so«, beharrte sie, bemüht, auch seine Träume frühzeitig zu zerstören. » Man benötigt mehrere tausend Mark, und das nur für den Anfang.«
    Er wollte es nicht einsehen, argumentierte hartnäckig, dass die Ostafrikanische Gesellschaft gewiss froh um jeden Deutschen sei, der sich in der Kolonie ansiedeln wollte, und ihm das

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