Himmel über dem Kilimandscharo
schwerem, erdigem Aroma, gelbe, herb duftende Wurzeln, getrocknete Blätter, die nach Zitrone rochen, braune, längliche Hülsen, die wie vertrocknete Stangenbohnen aussahen, aber einen seltsam frischen, säuerlichen Geruch verströmten…
» Tamarinde. Man legt sie in Wasser, damit sich die säuerliche Schärfe entfaltet, und macht dunklen Tamarindensaft daraus.«
Der Händler, der an seiner Türöffnung lehnte, die Hände auf dem Rücken verschränkt, musste ihr schon eine Weile zugeschaut haben, während sie sich am Duft der Gewürze berauschte. Charlotte sah ihn voller Verblüffung an, nicht nur deshalb, weil er ein fehlerloses Deutsch sprach, sondern auch, weil sie ihn kannte.
» Sie waren vorhin im Stadthaus, nicht wahr?«
» So ist es. Wir haben uns dort gesehen.«
Es war der Mann mit dem Gold in den Augen. Scheu musterte sie ihn, doch sie wagte kaum, sein Gesicht zu betrachten. Er war ein Inder, kein Araber. Oder täuschte sie sich?
Er schien ihre Befangenheit zu spüren und begann, ihr einiges über die Gewürze zu erzählen, erklärte, woher sie kamen und wofür man sie verwendete, zeigte ihr, dass es vier Sorten Pfeffer gab, den weißen, schwarzen, roten und grünen, und ließ sie ein kleines Stückchen vom indischen Lorbeer kauen, der wie Zimt oder Gewürznelke schmeckte.
Das Aroma war so scharf, dass ihr wieder ein wenig schwindelig wurde.
» Ich brauche ein Kopftuch.«
» Ich habe schöne Tücher. Kommen Sie.«
Eigentlich hatte sie nichts einkaufen wollen, dennoch folgte sie ihm in seinen Laden, wo es angenehm kühl war. Stoffballen lagerten in wackligen Regalen, bunte, weiße, grüne, dazwischen standen Kisten mit allerlei glitzerndem Tand, Vasen und Kannen, an der Wand hingen lederne Gürtel mit silbernen Schnallen.
Er hatte eine geschickte Art, die zusammengefalteten Tücher mit einer einzigen Bewegung über einem kleinen Tischlein auszubreiten. Warmes Gelb, mattes Rosé, Türkis, das wie das sonnenbeschienene Meer leuchtete. Es gab auch welche mit Mustern, die an gewundene Schneckenhäuser oder filigranes Blattwerk erinnerten.
» Wie viel kostet das?«, fragte sie und zeigte auf ein Tuch in einem warmen Goldton.
» Fünf Rupien für Sie. Es ist aus indischer Seide. Ein schönes Tuch für eine schöne Frau…«
» Ich habe nur deutsches Geld bei mir…«
» Dann nehme ich sechs Deutsche Mark von Ihnen.«
Charlotte erschrak. Sechs Mark? So viel konnte sie nie und nimmer für ein Tuch ausgeben. Auch nicht, wenn es aus indischer Seide war… Sie nahm den Stoff in die Hand und spürte, wie leicht er war. Zart und kühl glitt er durch ihre Finger und blieb an jeder rauen Hautstelle hängen. Solche Stoffe hatte sie vor langer Zeit gekannt, ihre Mutter hatte Kleider daraus getragen, die später zu Röcken für Ettje und Tante Fanny umgearbeitet wurden…
» Das ist zu teuer…«
» Sie werden diese Qualität nirgendwo billiger bekommen.«
Sie versuchte gar nicht erst zu feilschen. Selbst wenn sie das Tuch um ein, zwei Mark herunterhandelte, war es völliger Unsinn, sich ein so teures Kleidungsstück zu leisten.
» Ich muss darüber nachdenken.«
Sie lächelte entschuldigend und entnahm seinem ernsten Gesichtsausdruck, dass er den Grund ihrer Zurückhaltung erkannt hatte. Er verneigte sich vor ihr, als sie hinausging, was ihr sehr merkwürdig erschien.
Eilig lief sie die Straße entlang, und erst als sie sich ein wenig entfernt hatte, begann sie wieder zu schlendern, um sich die Geschäfte anzuschauen. Es gab eine Menge Handwerker, die hier halb im Freien hockten und auf Metall herumhämmerten, Schmuck auffädelten oder an Nähmaschinen saßen und weiße, lange Gewänder herstellten.
Nähen kann Klara auch, dachte sie. Man müsste sich in einem dieser Häuser einmieten, Waren kaufen und sie anbieten. Gewänder schneidern. Hübschen Schmuck herstellen. Weshalb sollte das nicht möglich sein?
Aber sie konnte nirgendwo einen leeren Laden entdecken. Sogar die winzigsten Löcher waren voller Körbe und Warenballen, ein Handwerker klopfte herum, Araber tranken Kaffee und inhalierten Rauch aus langen Schläuchen, die an einem schlanken Glasbehälter befestigt waren. Es roch süßlich, und sie spürte wieder, wie der Boden unter ihr leicht zu schwanken begann. Tücher flatterten an einem Ständer, purpurne, blutrote, safranfarbige, dazwischen eines, das wie dunkles Gold leuchtete. Indien, das Land ihrer Mutter…
Sie drehte sich um und ging entschlossen zurück.
Der indische Händler hatte
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