Himmel ueber Falludscha
Lippen. Als ich näher kam, reckte er einen Daumen hoch.
»Wie geht’s?«, fragte ich.
»Geht so, Bruder«, meinte er. Er zog eine zweite Wasserflasche aus seiner Jacke und reichte sie mir. »Captain Coles ist gerade zur Schnecke gemacht worden.«
»Captain Coles?«
»Ein Offizier von der Dritten hat ihn echt rund gemacht, Mann. Komplett durch den Wolf gedreht. Der schien so sauer, dass ich schon dachte, er würde ihn erschießen.«
»Was ist denn passiert?« Das Wasser war kühl und köstlich. Etwas davon goss ich in meine hohle Hand und wischte mir damit über das Gesicht.
»Jemand hat angeordnet, wir sollten Gefangene zum PSYOP zur Vernehmung bringen. Der Captain sagte, wir seien keine Kuriere«, erzählte Jonesy. »Ich schätze, da hat er sich getäuscht.«
Ich mochte die Leute vom PSYOP nicht sonderlich. Die ich bislang getroffen hatte, schienen zu glauben, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer psychologischen Einheit schlauer waren als alle anderen. Vielleicht waren sie das sogar, aber das mussten sie ja nicht so raushängen lassen. Ich hatte die Flugblätter gesehen, die sie über dem Irak abgeworfen hatten und die sie überall verteilten. Sie enthielten meist Drohungen, eine Seite auf Englisch, die andere Seite auf Arabisch, etwa so:
Wenn Ihr auf uns schießt, werden wir Euch töten, und wenn Ihr friedlich seid, helfen wir Euch, einen neuen Staat zu errichten .
»Wenn es nach mir ginge, würde ich die Gefangenen nirgendwohin bringen«, fuhr Jonesy fort. »Nicht nach diesem Erlebnis.« Er hob seine leere Wasserflasche, um in die Richtung hinter mir zu weisen.
Ich drehte mich um, um zu verstehen, wovon er redete, und sah, wie ein paar Jungs die Leichen toter Soldaten auf einen Lkw luden. Vier Männer trugen die Toten, zwei Soldaten für jeden Leichensack, während die anderen Haltung annahmen. Die Bahren wurden in den Laster geschoben. Die Leichen schienen ganz leicht zu sein. Eine dicke Irakerin, ganz in Schwarz gekleidet, warf einen Blick auf dieSzene und eilte dann die Straße hinunter. In einer schmalen Gasse lehnten einige braune Kinder an der Wand und sahen zu. Ich fragte mich, was sie wohl dachten.
»Es ist hart, so weit weg von zu Hause zu sterben«, meinte ich.
»Meine Mutter würde das nicht ertragen«, erklärte Jonesy. »Es würde sie schneller umbringen als mich.«
Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild meiner Mutter auf, die am Küchentisch in Harlem saß. Wenn ich fiel, würde sie weinen, das wusste ich. Es würde ihr sehr großen Schmerz bereiten. Während ich der Zeremonie für die Toten zusah, tat sie mir leid. Ich wusste, was Jonesy sagen wollte: Sterben bereitet immer Schmerzen.
Ich fragte mich, was mein Vater wohl denken würde. Würde er mir die Schuld an meinem Tod geben? Würde er sagen, ich hätte auf ihn hören sollen? Ich hätte so gerne mit ihm geredet. Es gab gar nichts Besonderes, das ich ihm sagen wollte, nur dass es okay war, was er für mich wollte; vielleicht, dass ich ihn liebte. Ich nahm meinen Stift und machte mir eine Notiz, um mich selbst daran zu erinnern: Sag deinen Eltern, dass du sie lieb hast. Das war ja gaga – dass ich mich selbst daran erinnern musste.
Es gab drei Gefangene; zwei nahm die zweite Gruppe, einen wir. Er war ein alter Mann, oben kahl, mit einem wolligen, ergrauten Haarkranz. Er hatte die gleiche Hautfarbe wie ich. So schmächtig, knochig und leicht vornübergebeugt, wie er war, wirkte er einfach zu mickrig, als dass man ihn für gefährlich halten würde. Er hatte Angst vor uns. Er versuchte zu lächeln, aber er zeigte nur eine kurze Reihe schlechter Zähne.
Ahmed fuhr mit uns. Die dritte Gruppe übernahm die Führung, dahinter fuhren wir und dann die zweite Gruppe.
»Bleibt zusammen und haltet Kontakt.« Captain Coles klang gedämpft. Es zeigte Wirkung, dass er von dem Offizier der Dritten den Arsch versohlt bekommen hatte.
Wir stiegen ein und fuhren los. Ich holte mir die Koordinaten für den Gefechtsstand und gab sie Jonesy weiter. Er fragte Marla, ob sie fahren wollte, doch sie lehnte ab.
»Ich will hier oben sein, damit ich sehen kann, was los ist«, sagte sie. »Und solange ich hier oben bin, muss ich mich nicht mit euch beiden unterhalten.«
Gut. Marla schien sich zu erholen.
Die Hände des Gefangenen waren mit einem Plastikband gefesselt. Die beiden Gefangenen im anderen Humvee hatten Tücher über dem Kopf, aber unserer nicht.
»Hey, Ahmed, frag ihn doch, warum er getan hat, was auch immer er getan hat«, bat
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