Himmel ueber Falludscha
sozusagen ?«
»Das heißt, sie ist seine Herzensdame, aber sie weiß es noch nicht«, rief Jonesy vom anderen Ende des Raumes.
»Es heißt, dass wir miteinander geredet haben, und sie hat gesagt, sie wäre gerne – du weißt schon – meine Herzensdame und sie würde mir schreiben, aber wir sollten alle großen Entscheidungen auf später verschieben«, sagte ich.
»Birdy, die einzigen Briefe, die du von drüben bekommst, sind von deiner Mutter!«, rief Jonesy.
»Jonesy, halt den Rand!«
»Nein, wirklich, Birdy.« Marla verschränkte die Finger und stützte das Kinn darauf. »Mir kannst du es doch sagen. Schläfst du mit dem Mädchen?«
»Was geht dich das eigentlich an?«
»He, Jonesy, wir müssen dafür sorgen, dass Birdy heil nach Hause kommt«, verkündete Marla. »Er ist noch Jungfrau.«
»Marla, du weißt ja: Die letzte Person, die ihre Nase in meine Angelegenheiten gesteckt hat …«
»Oh ja, und was für eine Waffe hatte sie?«
Es machte mir nichts aus, dass mir Marla auf die Nerven ging. Vor ein paar Wochen wäre es mir noch nicht egal gewesen, aber mittlerweile war es in Ordnung. Wie in einer Familie.
Das Besondere an unserer Mission war: Bei dem gesuchten Jungen, Muhammad Latif al-Sadah, handelte es sich um den Sohn eines sunnitischen Imams. Aber den al-Sadah -Teil in seinem Namen sollten wir nicht erwähnen,da er irgendetwas bedeutete, weswegen ihm ein paar andere Stämme vielleicht schlecht gesonnen waren. Dergleichen bekamen wir mehr und mehr zu hören. Es gab Kämpfe zwischen den Stämmen, Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten und sogar zwischen Leuten aus verschiedenen Städten. Es war, als ob man in eine Gegend kommt, um das Verbrechen zu bekämpfen, und dann feststellt, dass es bei den meisten Verbrechen darum ging, zu welcher Gang man gehört, und dass eigentlich keiner wirklich damit aufhören will.
Der Junge war nach der Ausgangssperre in Bagdad noch unterwegs gewesen und einfach verschwunden. Wir sollten in Krankenhäusern, Gefängnissen und Leichenschauhallen suchen. Möglicherweise war er erschossen worden und wir würden ihn, wenn überhaupt, in einer der provisorischen Leichenschauhallen finden, die in der ganzen Stadt eingerichtet worden waren. Jeden Tag kamen in Bagdad Iraker ums Leben. Manche wurden von unserer Armee getötet. Die meisten davon waren Leute, die Konvois angriffen oder meinten, sie könnten einen schnellen Schuss aus einem Fenster abgeben. Manchmal wurden Iraker getötet, die nach der Ausgangssperre noch auf der Straße waren. Niemand konnte wissen, ob sie einfach etwas stehlen wollten oder ob sie wirklich etwas Großes im Schilde führten.
Die Koalitionskräfte hatten die heiße Phase des Krieges gewonnen. Die Nachrichten erzählten uns ständig, dass wir uns in der Stabilisierungs- und Aufbauphase der Operation Freiheit für Irak befanden. Doch ich konnte nicht verstehen, worum es den Irakern ging und was sie wirklich wollten.Im Fernsehen zeigten sie Interviews mit ihnen, immer Männer (und wie Jamil sagte: meistens Kurden), die darüber sprachen, wie froh sie waren, dass Saddam gestürzt worden war. Jonesy stellte schließlich die Frage, die uns alle beschäftigte.
»Wenn die Iraker hier alle so zufrieden damit sind, was wir hier tun – wer zum Teufen schießt dann auf uns und legt diese ganzen Sprengfallen?«
Darauf hatte niemand eine Antwort. Wir wussten nur, dass die irakische Armee im militärischen Kampf gegen unsere Streitkräfte gnadenlos untergegangen war. Für jeden Gefallenen Koalitionskämpfer gab es fünf bis zehn tote Iraker. Vielleicht sogar noch mehr. Tote Iraker tauchten in den Nachrichten nicht auf.
Wenn einer unserer Jungs starb, holten wir die Leiche schnell von der Straße. Wir wuschen sogar das Blut weg. Wenn ein Iraker getötet wurde, dauerte es eine Weile, bis ein Krankenwagen kam und die Leiche abholte. Immer waren andere Iraker dabei, Freunde, trauernd, weinend, manchmal auch Rache schwörend. Ich hatte keine Ahnung, was sie mit den Leichen taten. Ich hatte gehört, dass sie sie gemäß ihrer Religion innerhalb von drei Tagen beerdigen mussten. Ein Marine von der Vierten hatte mir erzählt, er hätte in einer der Leichenhallen einmal einen Haufen in Eis gepackter Leichen gesehen. Dieser Anblick hatte sich ihm für immer ins Gedächtnis eingegraben.
»Schaut mal, Leute! Der Euphrat sieht blau aus und der Tigris grün«, sagte Jonesy.
Wir fuhren am Tigris entlang zum Republikanischen Krankenhaus. Sie hatten Ahmed für diese
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