Himmel ueber Falludscha
fragte ich Marla.
»Meine biologischen Eltern trennten sich – falls sie überhaupt jemals richtig zusammen waren –, als ich zwei oder drei war«, erzählte Marla. »Ich kann mich nicht an sie erinnern. Ich weiß nur, dass ich dann von einer Pflegefamilie in die nächste kam. Gelegentlich war ich auch in einemHeim. Ich war wohl nicht niedlich genug, um adoptiert zu werden.«
»Ich hätte gedacht, dass viele weiße Paare Kinder adoptieren wollen«, meinte ich.
»Das schon.« Marla hatte den Helm abgenommen und ließ ihn verkehrt herum auf dem gefliesten Boden kreiseln. »Aber meine Eltern waren nicht tot und sie wollten nicht, dass ich adoptiert werde. Ich glaube, mein Vater wollte ein paar Dollar für mich haben oder so. Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall bin ich viel rumgekommen. Ein paar Familien waren gut und ein paar nicht. Nachdem ich wegen Ladendiebstahls vors Jugendgericht gekommen war, nahm mich eine schwarze Familie auf. Sie bewahrten mich vor der Jugendstrafanstalt. Etwas länger als ein Jahr blieb ich bei ihnen. Ich habe es ihnen nicht leicht gemacht. Sie hatten eine eigene Tochter mit Kinderlähmung und wollten eigentlich jemanden für sie zur Gesellschaft. Es war schön bei ihnen. Zumindest musste ich mir den Vater nicht vom Leib halten. Der Mann war okay. Dann stand ich vor der Entscheidung, aufs College zu gehen oder mir einen Job zu suchen. Ich bin zur Armee gegangen.«
»Willst du dabeibleiben?«
»Nein. Ich bin jetzt stärker. Ich werde wahrscheinlich die Armee verlassen und zur Uni gehen«, sagte sie. »Ich würde gerne Lehrerin werden, wenn sie mich mein M-16 mit in die Schule nehmen lassen. Um die Kids auf Trab zu halten.«
Wir unterhielten uns noch eine Weile, bis Coles kam und uns sagte, dass wir über Nacht im Krankenhaus bleiben würden. Das hatte ich mir schon gedacht.
Es war fast halb sechs, als Jonesy mich weckte und sagte, dass wir abfuhren.
»Ich bin froh, dass ich nicht mit dir verheiratet bin – so laut, wie du schnarchst«, verkündete er.
Captain Coles sagte, dass wir allein losfahren würden, aber es ginge durch einen von den Marines kontrollierten Teil der Stadt. »Sie wissen, dass wir kommen und werden ein Auge auf uns haben«, sagte er.
Wir machten uns fertig, mussten aber noch auf Miller warten. Wir nahmen an, dass sie sich noch einmal umsah. Mir fielen die Männer ein, die von Aufständischen in Falludscha gefangen genommen und aufgehängt wurden – und musste sofort wieder aufs Klo. Als ich das Jonesy sagte, meinte er, ich sei der verpissteste Schwarze, den er je getroffen hätte.
Die Toilette, die wir benutzt hatten, lag in einem Gang, der rechts von der Eingangshalle abging. Ich beeilte mich, weil ich echt dringend musste. Gerade als ich nach der Klinke greifen wollte, wurde die Tür aufgestoßen und ein Iraker kam rückwärts heraus. Er zog etwas. Ich sprang zur gegenüberliegenden Wand zurück. Ein weiterer Iraker hatte Captain Miller die Hand über den Mund gelegt und hielt ihren Kopf nach hinten.
Der Mann, der mich ansah, schrie etwas, woraufhin sich der vor mir umdrehte. Er hatte eine Kalaschnikow über der Schulter und musste Miller loslassen, als er danach griff. Ich zielte auf ihn und drückte auf den Abzug. Nichts. Gesichert! Ich löste den Sicherheitshebel und schoss ihm eine Ladung entgegen. Er drehte sich im Fallen von mir weg und schlug die Hände vor sein Gesicht. CaptainMiller kniete auf dem Boden. Der andere Mann griff in seine Jacke.
Ich versuchte, etwas zu sagen. Keine Bewegung! , wollte ich schreien. Ich wollte ihm sagen, dass es vorbei war. Doch ich brachte keinen Ton heraus. Ich zielte mit dem Gewehrlauf auf seine Brust, er griff danach und stieß ihn nach oben. Panisch zog ich den Lauf weg und zielte wieder auf ihn.
Ich kann mich weder an den Knall noch daran erinnern, ob ich noch einmal geschossen habe. Ich erinnere mich nur daran, wie der obere Teil seines Kopfes explodierte und wie seine Hände mit gespreizten Fingern zu seinem Gesicht fuhren.
Captain Miller zitterte. Sie schlug sich mit den Händen flach auf die Brust und holte geräuschvoll Luft. Ich fürchtete schon, sie wäre angeschossen oder hätte einen Herzinfarkt.
»Alles okay?«, fragte ich sie.
Sie sah erst mich an und dann die beiden Männer auf dem Boden der Toilette. Keiner von ihnen bewegte sich. Sie zog ihre Hose hoch und machte den Gürtel zu. Sie sagte irgendetwas, aber entweder konnte ich sie nicht hören oder es kamen keine Worte.
Der Rest unserer Leute
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