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Himmel ueber Falludscha

Titel: Himmel ueber Falludscha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Dean Myers
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hatte die Schüsse gehört. Später erfuhr ich, dass sie geglaubt hatten, sie seien draußen abgefeuert worden.
    Miller war wie gelähmt. Immer wieder stieß sie mit ihrer Schutzweste gegen die geflieste Wand.
    »Sind Sie in Ordnung?«, fragte ich.
    »Nein! Nein! Neiiiiin!«, schrie sie.
    Sie schrie. Sie weinte. Sie schaukelte vor und zurück. Sie stöhnte.
    »Bei all dem Mist, der vor sich geht … bei all der verfluchten Scheiße, die hier vor sich geht … Wie können sie nur? Wie können sie?«
    Wieder weinte sie. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter.
    Miller wandte sich zu mir um. »Birdy, Sie haben die Kerle daran gehindert, mich zu vergewaltigen«, sagte sie. »Aber Sie konnten sie nicht daran hindern, mir den letzten Rest meiner Seele herauszureißen.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich.
    »Es ist mir egal«, erwiderte sie. »Es ist mir einfach nur noch völlig scheißegal.«
    * * *
    Draußen war es klar und frisch und bereits warm. Der Himmel wechselte langsam seine Farbe vom nächtlichen Grau zu einem strahlenden Morgen. In der Ferne begann sich der rotgoldene irakische Sonnenaufgang über dem Horizont auszubreiten. Dunkle Silhouetten wurden zu weiten Feldern und viereckigen Gebäuden. Der üble Gestank des Euphrats mischte sich mit den süßen Gerüchen, die von den Sandbänken und Uferböschungen aufstiegen – wie der traurige Klang eines Saxofons vor dem Hintergrund eines Streichorchesters.
    Unsere Gruppe fuhr nach Bagdad zurück ins Lager. Es war nur ein weiterer Sonnenaufgang über einer Stadt, die schon Sonnenaufgänge gesehen hatte, bevor die Menschenanfingen, ihre Geschichte aufzuschreiben. Doch an diesem strahlenden Morgen fuhr ich zum ersten Mal als jemand mit, der getötet hatte. Zuvor hatte ich meine Waffe immer nur in die Dunkelheit abgefeuert oder auf eine flüchtige Gestalt in der Ferne. Ich konnte nicht wissen, ob es meine Kugeln waren, die getroffen hatten, oder ob ich danebengeschossen hatte.
    Jetzt nicht mehr. Ich wollte fort von Falludscha, fort aus dem Irak. Ich wollte mit meinem Kummer allein im Dunkeln sein. Ich wollte um mich selbst trauern.
    Die Marines brachten uns durch Falludscha und den halben Weg nach Bagdad. Dort trafen wir eine Patrouille der Dritten und folgten ihnen in die Blase . Auf dem Rückweg sprachen wir nicht über den Vorfall. Als ich aus Miss Molly ausstieg und zum Zelt ging, hielt Captain Miller mich auf.
    »Danke, Birdy«, sagte sie. »Danke.«
    Später kam Marla herein und setzte sich zu mir. »Du brauchst jetzt jemanden. Lass mich das sein«, sagte sie.
    * * *
    Wir gaben eine Geburtstagsparty für Jean Darcy, die einundzwanzig wurde. Die Jungs von der Kantine brachten einen Kuchen mit Wunderkerzen drauf und genug Eis, um die gesamte Armee satt zu kriegen. Darcys Eltern und Freunde aus Oak Park, Illinois, hatten alles arrangiert. Sie bekam mindestens fünfzig Geschenke, Karten und Dankesbriefe für ihren Dienst fürs Vaterland. Es haute Darcy glatt um. Sie saß mitten auf dem Fußboden, umgeben von ihrenganzen Geburtstagssachen und heulte wie ein Schlosshund. Wir umarmten sie alle und küssten sie und die Hälfte von uns heulte ein bisschen mit. Es war einfach unglaublich cool.
    Anstatt ihre Geschenke zu behalten, verteilte Darcy sie noch unausgepackt, sodass jeder von uns irgendetwas bekam. Ich erhielt eine Körperlotion und Jonesy einen Schwamm an einer Schnur, mit dem er sich den Rücken waschen konnte.
    »Wollt ihr mir damit sagen, dass ich so stinke, dass ich mir die Seife umbinden sollte?«, fragte Jonesy.
    Die Party dauerte bis weit nach Mitternacht. Die Jungs schlürften Cola und aßen Eis, bis ihnen schlecht wurde. Als am Morgen die Trillerpfeife zum Appell rief, fühlte ich mich unwohl. Halb wach, halb angezogen und halb angenervt, dass wir überhaupt antreten mussten, stolperten wir hinaus.
    Der Gang zur Kantine war dann reiner Reflex. Ich war nicht in der Stimmung für Frühstück, nicht mal für einen heißen Kaffee. Nach dem Frühstück ging ich ins Hauptzelt zurück und warf mich aufs Bett. Um elf Uhr kam Colonel Rose mit Coles und unseren Soldatinnen. Er wartete, bis alle Haltung angenommen hatten, und gab dann den Befehl »Rührt Euch!« mit einem Grinsen, als ob er von diesem ganzen draufgängerischen Quatsch nichts hielte.
    »Jungs, ich habe gute Neuigkeiten für euch!«, sagte er. »Will die jemand hören?«
    Ich sah zu Coles, der die Augen verdrehte. Mist.
    »Ich höre gern gute Neuigkeiten an so einem schönen Morgen, Sir!« Harris

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